Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterlassung. Lärmbelästigung. TA-Lärm. Schützenhalle. Schützenverein. Zumutbarkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Zu der Frage, welche Geräuschimmissionen, die von Veranstaltungen in einer Schützenhalle ausgehen, vom Eigentümer eines in der Nähe liegenden Grundstücks als zumutbar hingenommen werden müssen.

 

Normenkette

BGB § 1004 Abs. 1

 

Tenor

  • I.

    Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, die Schützenhalle in XY selbst oder durch Einräumung der Nutzung an Dritte so zu nutzen, dass durch die aus der Schützenhalle nach außen dringenden Geräusche oder durch die Geräusche des Besucherverkehrs auf dem Schützenplatz vor der Schützenhalle eine Geräuschbelastung der Wohnung des Klägers im Gebäude in XY nachts zwischen 22:00 Uhr und 06:00 Uhr von mehr als 45 dB(A) auftritt, jedoch mit Ausnahme der folgenden zu Ziffer II. gestatteten Nutzung.

  • II.

    Von der Unterlassungspflicht zu Ziffer I. gelten folgende Ausnahmen:

    • 1.

      Sonderregelung für das Schützenfest:

      In nicht mehr als drei Nächten im Kalenderjahr dürfen anlässlich des von Freitags bis Montags dauernden einmal jährlich stattfindenden Schützenfestes bis jeweils 24.00 Uhr Werte bis zu 70 dB(A) erreicht werden. Einzelne kurze Geräuschspitzen dürfen diesen Wert um nicht mehr als 20 dB(A) übersteigen. Für die übrige Nachtzeit der drei Nächte des Schützenfestes gilt bis 03.00 Uhr ein Höchstwert von 60 dB(A). Einzelne kurze Geräuschspitzen dürfen diesen Wert um nicht mehr als 20 dB(A) übersteigen. Von 03.00 Uhr bis 06.00 Uhr gilt der Höchstwert von 55 dB(A). Einzelne kurze Geräuschspitzen dürfen diesen Wert um nicht mehr als 10 dB(A) übersteigen.

    • 2.

      In nicht mehr als zwei weiteren Nächten im Kalenderjahr dürfen bis jeweils 03.00 Uhr Werte bis zu 60 dB(A) erreicht werden. Einzelne kurze Geräuschspitzen dürfen diesen Wert um nicht mehr als 20 dB(A) übersteigen. Von 03.00 Uhr bis 06.00 Uhr gilt der Höchstwert von 55 dB(A). Einzelne kurze Geräuschspitzen dürfen diesen Wert um nicht mehr als 10 dB(A) übersteigen.

    • 3.

      In nicht mehr als fünf weiteren Nächten im Kalenderjahr dürfen Werte bis zu 55 dB(A) erreicht werden. Einzelne kurze Geräuschspitzen dürfen diesen Wert um nicht mehr als 10 dB(A) übersteigen.

    • 4.

      Die genannten Überschreitungen dürfen nicht an zwei Wochenenden hintereinander auftreten.

  • III.

    Dem Beklagten wird angedroht, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Unterlassungspflicht ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Mo-naten, zu vollstrecken an einem der Vorsitzenden des Beklagten, festge-setzt wird.

  • IV.

    Der Beklagte wird weiter verurteilt, den Kläger von Rechtsanwaltsgebüh-ren der Rechtsanwälte i.H.v. 1.000,98 € freizustellen.

  • V.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

  • VI.

    Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

  • VII.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung von 10.000,00 €.

 

Tatbestand

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks, XY, und bewohnt das auf diesem Grundbesitz aufstehende Wohnhaus, das sich in etwa zwanzig Metern Entfernung unmittelbar gegenüber der Schützenhalle befindet, die von dem Beklagten für eigene Veranstaltungen genutzt und zeitweise auch an Dritte zur Durchführung von Veranstaltungen und Feierlichkeiten vermietet wird. Zudem werden an manchen Wochenenden in der Halle und auf dem davor gelegenen Parkplatz Trödelmärkte durchgeführt. Die Gebäude befinden sich in einem Dorf- und Mischgebiet. Zwischen den Parteien bestehen seit mehreren Jahren Differenzen wegen des von der Schützenhalle anlässlich der erwähnten Anlässe ausgehenden Lärms.

Zu Beginn des Jahres 2006 gab der Beklagte zur Klärung dieser Angelegenheit ein Sachverständigengutachten zum Zwecke der Geräuschmessung in Auftrag. Der Sachverständige Dipl.-Ing. AB stellte für sein am 08.04.2006 für den Beklagten erstattetes Gutachten in einer Entfernung von 0,5 Metern vor den Fenstern der Wohnung des Klägers in der Zeit von 22.00 Uhr bis 23.30 Uhr Messungen aus Anlass einer Veranstaltung von Jungschützen an, bei der Livemusik gespielt wurde. Hierbei waren die Fenster der Schützenhalle geschlossen und das Personal angewiesen, die hintereinander gelegenen Türen der Schützenhalle möglichst nicht gleichzeitig zu öffnen. Die Messungen ergaben einen Beurteilungspegel vor dem Wohnzimmerfenster von 66 dB(A) und vor dem Kinderzimmerfenster von 64 dB(A). Unter Berücksichtigung eines Messabschlags von 3 dB(A) gemäß 6.9 der TA-Lärm gelangte der Sachverständige zu einer Geräuschbelastung von 63 dB(A) bzw. 61 dB(A) und führte aus, dass der einzuhaltende Richtwert in der Nacht um 18 dB bzw. 16 dB überschritten werde. Wegen der weiteren Einzelheiten des Gutachtens wird auf die zu den Akten gereichte Kopie (Bl. 8-20 d.A.) Bezug genommen. In den folgenden Jahren versuchten die Parteien vergeblich, eine einvernehmliche Regelung zu erreichen, wobei die Prozessbevollmächtigten des Klägers seit dem Jahre 2009 tätig wurden. Ein im Jahr 2010 durchgeführtes Schiedsverfah...

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