Entscheidungsstichwort (Thema)

Lärmschutz. Open-air-Konzerte

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die „Hinweise zur Beurteilung der durch Freizeitanlagen verursachten Geräusche” – Gemeinsamer Runderlaß mehrerer niedersächsischer Minister – steilen eine den Anforderungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes entsprechende, auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren verwertbare Entscheidungshilfe zur Beurteilung der von Open-air-Konzerten ausgehenden Geräuscheinwirkungen dar.

2. Die Nachtzeit beginnt auch bei „seltenen Störereignissen” im Sinne der Ziffer 4.2 der „Hinweise” grundsätzlich um 22 Uhr. Ausnahmen gelten nur für besonders herausragende Veranstaltungen, deren Bedeutung so groß ist, daß dahinter das Ruhebedürfnis der Bewohner zurücktritt.

 

Normenkette

BImSchG § 5 Abs. 1 Nr. 1; Gem. RdErl. d. MU u. a. vom 14.11.1988 (Nds. MBl. S. 23)

 

Verfahrensgang

VG Hannover (Urteil vom 21.08.1992; Aktenzeichen 4 A 973/92)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover – 4. Kammer – vom 21. August 1992 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Kostenvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des gegen sie jeweils festgesetzten Erstattungsbetrages anwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen Lärmbelästigungen durch Open-air-Konzerte im Niedersachsenstadion und auf den anliegenden Erholungs- und Sportanlagen (sog. Sportparkwiese) der Beklagten.

Die Kläger zu 1, 2, 4 und 5 sind Anwohner der östlich des Niedersachsenstadions und des Maschsees gelegenen Wiesenstraße, die Klägerin zu 3 wohnt in der nordöstlich gelegenen G. straße und die Klägerin zu 6 in der westlich gelegenen R. straße.

Seit Mitte der 80er Jahre stellt die Beklagte das Niedersachsenstadion und die sich zwischen Stadion-Bad und Bundesleistungszentrum befindliche „Sportparkwiese” gewerblichen Veranstaltern zur Durchführung von bisher max. 7 Open-air-Konzerten pro Jahr zur Verfügung. Die Überlassung des in den letzten Jahren vorrangig genutzten Stadions erfolgt nach Abschluß von Mietverträgen, in die u. a. die Bestimmungen aufgenommen werden, daß zur Sicherstellung der einschlägigen Immissionsrichtwerte (z. B. tags in Wohngebieten 50 dB (A), in Gebieten mit überwiegend Wohnungen 55 dB (A)) am Meßpunkt 1 (Stadiondach der Gegengeraden) ein Grenzwert von 88 dB (A) (energetischer Mittelwert bezogen auf die Veranstaltungsdauer) nicht überschritten werden darf und die Veranstaltung einschließlich aller Zugaben sowie sonstiger Musikübertragung um 23.00 Uhr beendet sein muß. Ferner hat der jeweilige Mieter an 4 weiteren Meßpunkten (Meßpunkt 2: Krankenhaus Siloah; Meßpunkt 3: An der Bismarckschule; Meßpunkt 4: Gneiststraße, neuerdings statt dessen NDR Gelände Bereich Feuerwehrzufahrt Wiesenstraße; Meßpunkt 5: Stammestraße) Immissionsmessungen durchführen und auswerten zu lassen. Das aufgrund dieser Messungen von einer zugelassenen Meßstelle nach § 26 BImSchG erstellte Gutachten ist der Beklagten vorzulegen. Zur Überwachung der Grenzwerteinhaltung am Meßpunkt 1 hat der jeweilige Mieter rechtzeitig dem Gutachter sowie dem Umweltamt der Beklagten die Soundcheck-Zeiten bekanntzugeben, damit repräsentative Vormessungen möglich sind. Der jeweilige Mieter wird vertraglich ferner verpflichtet, zu jedem Zeitpunkt sicherzustellen, daß Weisungen, die der Einhaltung des Grenzwertes dienen, von der örtlichen verantwortlichen Leitung der Tontechnik akzeptiert und umgesetzt werden. Die Immissionsmessungen sind so flexibel zu handhaben, daß die Ergebnisse am Veranstaltungstag vom jeweiligen Meßpunkt an das Veranstalterbüro durchgegeben werden, damit sie als Argumentationshilfe am „Beschwerdetelefon”, das der Mieter auf seine Kosten, für die Mietdauer einzurichten hat, dienen können. Konkreten Beschwerden soll möglichst eine unmittelbare Messung am Ort des Beschwerdeführers folgen.

Die Kläger haben am 10. März 1990 Klage erhoben und die Auffassung vertreten, die durch die Konzerte verursachte Lärmbelastung sei unzumutbar, soweit mehr als zwei Konzerte pro Jahr stattfänden und diese länger als bis 22.00 Uhr andauerten. Eigene Messungen in der Wiesenstraße 52 und 79 hätten Werte von bis zu 82 dB (A) ergeben. Auf Mittelungspegel sei wegen der Art des Lärms nicht abzustellen. Sie – die Kläger – seien wegen des Lärms gezwungen, die Fenster zu schließen, teilweise müßten sie ihre Wohnungen verlassen.

Erholung sei in diesen Zeiten nicht möglich. Nach den regelmäßig- über 22.00 Uhr hinaus andauernden Konzerten finde reger Abfahrverkehr statt. Der vor den Konzerten erforderliche Soundcheck sei ebenfalls unzumutbar laut. Im übrigen würden sie durch eine Reihe weiterer Veranstaltungen während des Sommerhalbjahres belastet; es handele sich dabei um Volksfeste (Frühlingsfest, Schützenfest, Oktoberfest, Altstadtfest), Fußballspiele im Niedersachsenstadion, Musik- und Ansagelä...

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