Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag auf Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit. Hinweise auf Rechtsansichten eines Obergerichts und Kundgaben von Rechtsansichten des Richters sowie sachgerechte und straffe Prozessleitung sind kein Ablehnungsgrund. Keine Einschränkung der Entschließungsfreiheit der Parteien
Leitsatz (redaktionell)
Ein Richter kann nicht wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn er den Parteien Hinweise aus schon ergangenen Urteilen gibt und ihnen seine vorläufigen Rechtsansichten zum konkreten Stadium des Verfahrens mitteilt. Es ist vielmehr im fürsorglichen Interesse der Parteien, wenn der Richter seine Hinweise ausdrücklich auf die zwischen den Parteien die gleichen Fragenkomplexe berührende Entscheidung eines Obergerichts stützt.
Normenkette
ZPO § 42 Abs. 1, § 139
Nachgehend
Tenor
Das Ablehnungsgesuch der Beklagten vom 24.11.2005 betreffend die Richterin am Landgericht … wird für unbegründet erklärt.
Gründe
Das Gesuch ist gemäß §§ 43, 44 ZPO in zulässiger und ordnungsgemäßer Weise angebracht.
Es ist jedoch unbegründet. Nach § 42 Abs. 1 ZPO kann ein Richter wegen der Bersorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Dabei ist es nach einhelliger Auffassung nicht erforderlich, daß der Richter tatsächlich befangen ist; es genügen insoweit Gründe, die vom Standpunkt einer vernünftigen Partei einen solchen Schluß nahelegen. Solche Gründe liegen hier nicht vor.
Die Beklagte begründet ihren Antrag mit einem Vorgehen der Einzelrichterin aufgrund eines umfangreichen Schriftsatzes der Kläger vom 19.10.05. Die abgelehnte Einzelrichterin hatte unter Übersendung eines Schriftsatzes vom 19.10.05 in einer Verfügung vom 24.10.05 (Bl. 800 R) unter Bezugnahme auf ein zwischen den Beteiligten ergangenes Urteil des OLG Rostock (7 U 145/03) und die darin geäußerte Auffassung zur Unwirksamkeit der Kreditkündigung, dem im wesentlichen der gleiche Sachverhalt wie der hier zu beurteilende zugrundeliegt, die Beklagte gebeten, sich in ihrem Vortrag auf die von den Klägern bezifferte Schadenshöhe zu beschränken. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH eingelegt, über die noch nicht entschieden ist.
Dieses an Arbeitseffizienz und straffer Prozeßführung ausgerichtete Verhalten stellt bei verständiger Würdigung keinen Ablehnungsgrund dar.
Der Richter soll und ist nach § 139 ZPO auch gehalten, den Parteien Hinweise zu erteilen und seine Rechtsansichten mitzuteilen, die er in dem konkreten Stadium des Verfahrens hat. Zugleich ist er auch zur sachgerechten Prozeßleitung verpflichtet. Macht er davon Gebrauch, stellt dies grundsätzlich keinen Ablehnungsgrund dar, wenn klar ist oder aus den Umständen hervortritt, daß diese Maßnahmen und darin u.U. enthaltenen Kundgaben von Rechtsansichten dem konkreten Stadium des Verfahrens entsprechen, mithin vorläufiger Natur sind (Zöller/Vollkommer, 25. Aufl. 05, Rz. 26, 28 zu § 42 ZPO je m.w.N.; Baumbach/Hartmann, 63. Aufl. 05, 23, 44 f. je m.w.N.). Auf die konkrete Formulierung, insb. ob die Vorläufigkeit ausdrüklich hervorgehoben wird, kommt es nicht an (Zöller, a.a.O., Rz. 26 Mitte zu § 42).
Vorliegend ist dabei die Besonderheit beachten, daß die abgelehnte Richterin ihr Vorgehen und ihren Hinweis ausdrücklich auf die zwischen den Parteien die gleichen Fragenkomplexe berührende Entscheidung des OLG in dem Verfahren 7 U 145/03 stützt, wie die Beklagte selber hervorhebt. Legt aber die Richterin ihrer derzeitigen Prozeßführung die Rechtsansicht eines Obergerichtes zu Grunde, welches bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen auch über ein eventuelles Rechtsmittel in diesem Verfahren zu entscheiden hätte, ist dies eine Rechtsansicht, deren Vertretung auch im fürsorglichen Interesse der Parteien keinen ernstlichen Anlaß gibt, die Besorgnis einer Befangenheit anzunehmen. Auf die Frage, ob gegen die obergerichtliche Entscheidung die Nichtzulassungsbeschwerde betrieben wird, kommt es dabei nicht an ebensowenig wie auf die Frage einer etwaigen Bindungswirkung. Denn die Parteien müssen nach der derzeitigen Lage damit rechnen, daß das OLG bei einem Rechtsmittel die gleiche Ansicht vertritt, wie es bisher zu diesen Fragen vertreten hat. Schließt sich die abgelehnte Richterin dem an, was durch ihren Hinweis zum Ausdruck kommt, ist für die Annahme einer Voreingenommenheit kein Raum.
Im weiteren ist kein Indiz dafür zu erkennen, daß ein solches Vorgehen im wohlverstandenen Interesse der Parteien den Weg der weiteren Sachbehandlung der Richterin auch dann vorwegbestimmt bei einer möglichen Änderung der rechtlichen Beurteilung durch einen derzeit noch nicht absehbaren Erfolg der Nichtzulassungsbeschwerde.
Schließlich ergibt sich aus der Form der Verfügung auch nicht, daß die Entschließungsfreiheit der Beklagten, neben dem durch die Verfügung erbetenen auch das vorzutragen, was si...