Entscheidungsstichwort (Thema)

Erteilung einer Vertragsabschrift aus den Grundakten

 

Tenor

1. Der Zurückweisungsbeschluss des Notariats Esslingen a.N. – Grundbuchamt – vom 16. November 2004 wird

aufgehoben.

2. Das Grundbuchamt Esslingen a.N. wird angewiesen, dem Antragsteller aus der Grundakte Grundbuchamt Esslingen a.N. … eine beglaubigte Abschrift des Kaufvertrags zu erteilen, mit dem Frau … (jetzt: …) die von ihrer Mutter, Frau …, erworbenen Grundstücke weiter veräußert hat.

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

4. Beschwerdewert: 3.000 EURO.

 

Tatbestand

I.

Der Beschwerdeführer begehrt Einsicht in die Grundakten und Erteilung einer Abschrift des Grundstückskaufvertrags, mit dem seine Schwester …, die wenige Jahre zuvor von der Mutter … erworbenen Gebäudegrundstücke an Dritte weiterverkauft hat.

Alleinerbe der im Jahre 2003 verstorbenen Mutter ist der Beschwerdeführer. Er trägt vor, seine Schwester, Frau …, sei pflichtteilsberechtigt. Die Schwester habe den Grundbesitz von der Mutter weit unter Wert übertragen bekommen, es läge deshalb eine gemischte Schenkung vor. Bei Kenntnis des Kaufpreises beim Verkauf des Grundbesitzes an Dritte wenige Jahre später könnten Rückschlüsse auf den Verkehrswert im Zeitpunkt der Übertragung von der Mutter auf die Tochter gezogen werden. Eine etwaige Schenkung sei im Pflichtteilsrecht zumindest im Hinblick auf die Anrechenbarkeit eines Eigengeschenks auf einen etwaigen Ergänzungspflichtteil gem. § 2327 BGB von Bedeutung. Daraus ergebe sich das berechtigte Interesse i.S.v. § 12 GBO i.V.m. § 46 GBVerf.

Das Grundbuchamt hat den Antrag zurück gewiesen.

Es ist der Ansicht, ein berechtigtes Interesse des Beschwerdeführers bestehe nicht. Das Grundbuchamt habe mit besonderer Sorgfalt zu prüfen, ob das dargelegte Interesse ausreiche, um einem Dritten in die in den Grundakten verwahrten Urkunden Einsicht gewähren zu können. Dabei sei bei einer notariellen Urkunde, worum es sich bei einem Grundstückskaufvertrag handle, die Vorschritt des § 51 BeurkG zu beachten. Nach dieser Vorschrift dürfe keiner Person, die nicht Beteiligte an dem betreffenden Beurkundungsvorgang sei, eine Abschrift oder Ausfertigung erteilt werden. Diese strenge Vorschrift des Beurkundungsrechts könne nicht über die §§ 12 GBO, 46 GBVerf umgangen werden. Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde ist zulässig, sie hat in der Sache auch Erfolg.

Der Beschwerdeführer kann Einsicht in die Grundakten und die Erteilung einer beglaubigten Abschrift des Vertrages über die Veräußerung des fraglichen Grundbesitzes gem. §§ 12, 142 GBO i.V.m. § 46 Grundbuchverfügung verlangen.

Der Beschwerdeführer hat sein berechtigtes Interesse an der Einsicht in den Kaufvertrag dargetan.

Berechtigtes Interesse kann auch ein wirtschaftliches Interesse des Beschwerdeführers sein, das sich hier aus dem Pflichtteilsrecht ergibt (vgl. die beiden Beschlüsse der Kammer vom 5.9.1995 – 1 T 29/1995 – in NJW-RR 1996, 532 und vom 26.2.1998 – 1 T 1/1998 – in Rpfleger 1998, 339 sowie die Rechtsprechungsnachweise bei Demharter, GBO, 24. Aufl. 2002, § 12 Rn 9). Zwischen dem Beschwerdeführer als dem Alleinerben der Mutter und seiner Schwester als Pflichtteilsberechtigter am Nachlass der Mutter besteht ein erbrechtlich-schuldrechtliches Rechtsverhältnis aus Pflichtteilsrecht (§§ 2303 ff. BGB). Für die konkrete Ausgestaltung dieses Rechtsverhältnisses ist die Frage von Zuwendungen seitens der Erblasserin – der Mutter – an die Schwester von zentraler Bedeutung. Der in dem Kaufvertrag mit Dritten vereinbarte Kaufpreis kann Rückschlüsse auf den Wert des von der Mutter erworbenen Grundbesitzes auch zum Zeitpunkt des Erwerbs durch die Schwester zulassen und damit der Klärung der Frage dienen, ob eine unentgeltliche Zuwendung in dem bezeichneten Pflichtteilsrechtsverhältnis in Betracht kommt. Im Pflichtteilsrecht kann eine Schenkung der Erblasserin an einen Pflichtteilsberechtigten u.a. in den Fällen der §§ 2315, 2316, 2327 BGB von Bedeutung sein. Mit der Darlegung des Pflichtteilsrechtsverhältnisses und der beiden Veräußerungsvorgänge hat der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Einsicht in die Grundakten und an der Erteilung einer beglaubigten Abschrift in ausreichendem Maße dargelegt.

Gem. § 46 Abs. 3 Grundbuchverfügung kann er eine beglaubigte Abschrift der Kaufvertragsurkunde verlangen.

Dem steht auch § 51 BeurkG nicht entgegen.

Das Grundbuchamt führt zu Recht aus, dass der den Kaufvertrag beurkundende Notar in der Tat einem nichtbeteiligten Dritten keine Abschrift der Urkunde erteilen dürfte. Das Grundbuchrecht beinhaltet in Bezug auf das Recht, eine Abschrift aus den Grundakten verlangen zu können, jedoch eine vom Beurkundungsrecht abweichende Regelung. Die Schwelle des Grundbuchverfahrensrechts für die Erlangung einer Abschrift von einer in die Grundakten aufgenommenen notariellen Urkunde ist in den §§ 12 GBO, 46 GBVerfg wesentlich niedriger als im Beurkundungsrecht. Die genannten Vorschriften ha...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?