Orientierungssatz

Der gem. § 850e Nr. 1 Satz 2 lit. b) ZPO zu berücksichtigende Betrag für die Beiträge zu einer privaten Kranken- und Pflegeversicherung ist nach der Einführung des sog. Basistarifs in der privaten Krankenversicherung auf den Höchtsbeitragssatz der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung begrenzt. Die Berücksichtigung höherer als dieser Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge würde den Rahmen des Üblichen i.S.v. § 850e Nr. 1 Satz 2 lit. b) ZPO übersteigen.

 

Verfahrensgang

AG Stuttgart (Entscheidung vom 11.10.2011; Aktenzeichen 2 M 2807/08)

 

Tenor

  • 1.

    Der Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart - Vollstreckungsgericht - vom 11.10.2011 (2 M 2807/08) wird abgeändert:

    Es wird festgestellt, dass der seitens der Drittschuldnerin Ziff. 2 zu berücksichtigende Betrag für die Beiträge des Schuldners zur Kranken- und Pflegeversicherung auf den gesetzlichen Beitragssatz (aktuell 16,85%) der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze (aktuell 3.825,-- € monatlich) begrenzt ist.

  • 2.

    Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Der Schuldner trägt die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens.

  • 3.

    Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Beschwerdewert: 600,-- €

 

Gründe

I.

Die Gläubigerin / Beschwerdeführerin betreibt die Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde des Notars N.N., Stuttgart, vom 17.01.2003, UR-Nr. ........., welche der Forderungsaufstellung der Gläubigerin zum 09.06.2008 zufolge eine Hauptforderung i.H.v. 60.000,-- € umfasst. Am 09.06.2008 beantragte die Gläubigerin beim Amtsgericht Stuttgart - Vollstreckungsgericht - den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, der (Beschluss vom 12.06.2008) u.a. die Pfändung bestehender und künftiger Renten- und Versorgungsleistungen der Drittschuldnerinnen wegen Alters oder Erwerbsunfähigkeit sowie deren Überweisung an die Gläubigerin zur Einziehung bewirkte. Durch Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 30.10.2008 wurde gem. § 850c Abs. 4 ZPO bestimmt, dass die Ehefrau des Schuldners bei der Berechnung des unpfändbaren Teils seines Einkommens als Unterhaltsberechtigte unberücksichtigt zu lassen ist, da sie über eigenes Einkommen verfügt.

Der Schuldner bezieht von der Drittschuldnerin Ziff. 2 monatliche Renteneinkünfte in einer Höhe von - nach letztmaligem Vortrag - 1.973,72 €. Er ist Mitglied einer privaten Kranken- und Pflegepflichtversicherung und wendet hierfür - nach letztmaligem Vortrag - monatlich 741,37 € auf. Hieraus folgt ein pfändbares monatliches Einkommen i.H.v. gegenwärtig 140,78 €.

Mit Schriftsatz vom 26.07.2011 beantragte die Gläubigerin beim Vollstreckungsgericht die Feststellung, dass der seitens der Drittschuldnerin Ziff. 2 zu berücksichtigende Betrag für die Beiträge des Schuldners zur Kranken- und Pflegeversicherung auf den gesetzlichen Beitragssatz begrenzt wird. Diesen Antrag hat das Amtsgericht Stuttgart mit Beschluss vom 11.10.2011, gegen den sich die Gläubigerin mit ihrer am 21.10.2011 bei Gericht eingegangenen Beschwerde wendet, als unbegründet zurückgewiesen.

In der Beschwerdeinstanz hat die Gläubigerin ihren Antrag auf gerichtlichen Hinweis vom 07.11.2011 mit Schriftsatz vom 10.11.2011 dahingehend beschränkt, dass nunmehr beantragt wird,

festzustellen, dass der seitens der Drittschuldnerin zu berücksichtigende Betrag für die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung auf den gesetzlichen Beitragssatz (aktuell 16,85%) der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze (aktuell 3.712,50 € monatlich) begrenzt wird.

Das Gericht versteht diesen Antrag im Wege der interessengerechten Auslegung und unter Berücksichtigung der zum 01.01.2012 auf monatlich 3.825,-- € erhöhten Beitragsbemessungsgrenze für die gesetzliche Krankenversicherung (§ 223 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 6 Satz 1 SGB V) dahingehend, dass

die Feststellung begehrt wird, dass der seitens der Drittschuldnerin Ziff. 2 zu berücksichtigende Betrag für die Beiträge des Schuldners zur Kranken- und Pflegeversicherung auf den gesetzlichen Beitragssatz (aktuell 16,85%) der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze (aktuell 3.825,-- € monatlich) begrenzt ist.

Auf dieser Berechnungsgrundlage stünden zurzeit monatlich 189,78 € für die Pfändung zur Verfügung.

Zur Begründung ihres Antrags führt die Gläubigerin aus, dass der Schuldner nach Einführung des branchenweit einheitlichen Basistarifs für die substitutive (private) Krankenversicherung durch § 12 Abs. 1a und 1b VAG zum 01.01.2009 durch Wechsel in diesen Basistarif einen dem Schutzniveau der gesetzlichen Krankenversicherung mindestens äquivalenten Versicherungsschutz erlangen könne. Der Beitragssatz des Basistarifs ist gem. § 12 Abs. 1c VAG auf den Höchstbeitrag der gesetzlichen Krankenversicherung begrenzt. Die Gläubigerin zieht hieraus die Schlussfolgerung, dass der Basistarif im Falle des Schuldners weniger kostenaufwendig als dessen bisheriger Versicherungstarif und mithin vollstreckungsfreundlicher ist, und ihm ein Wechsel in diesen Tarif bzw. eine Nichtberücksichtigung höherer als der mit dem Basistarif verbund...

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