Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Geschäftsführers einer GmbH nach § 826 BGB wegen Insolvenzverschleppung auf Erstattung von Insolvenzgeld
Leitsatz (amtlich)
1. Die Bundesagentur für Arbeit ist im Hinblick auf die auf sie nach § 187 SGB III übergehenden Ansprüche nicht in den Schutzbereich der Insolvenzantragspflicht mit einbezogen.
2. Eine vorsätzliche Insolvenzverschleppung begründet nicht eo ipso ein Sittenwidrigkeitsverdikt nach § 826 BGB.
3. Die Bundesagentur für Arbeit hat, soweit sie Insolvenzgeld an Arbeitnehmer einer insolventen GmbH leistet, gegen den insolvenzverschleppenden Geschäftsführer keinen Anspruch nach § 826 BGB auf Schadenersatz in Höhe des geleisteten Insolvenzgeldes, da es bereits am Schutzzweckzusammenhang zwischen (möglicherweise) sittenwidrigem Verhalten des Geschäftsführers und einem etwaigen Schaden der Bundesagentur fehlt. (Abweichung von BGH NZI 2008, 242 = BGHZ 175, 58)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Streitwert: 31 090,16 EUR
Tatbestand
Die Klägerin nimmt den Beklagten im Wege des Schadensersatzes auf Erstattung von Insolvenzausfallgeld in Anspruch, welches sie den Arbeitnehmern der vom Beklagten als Geschäftsführer geführten Gesellschaft bezahlt hat.
Der Beklagte war Alleingesellschafter-Geschäftsführer der K.-GmbH, die mit Gesellschaftsvertrag vom 30.01.1975 mit einem Stammkapital von 50 000,00 DM gegründet und in das Handelsregister des Amtsgerichts E. unter HRB 2481 eingetragen wurde. Der Geschäftsgegenstand des Unternehmens war die Herstellung von Metallkonstruktionen aller Art.
Die K.-GmbH war spätestens seit dem 15.06.2002 nicht nur kurzfristig nicht mehr in der Lage, ihre fälligen Verbindlichkeiten zu begleichen, mithin zahlungsunfähig, was dem Beklagten zu diesem Zeitpunkt auch bewusst war. Die an diesem Tag fälligen Sozialversicherungsbeiträge an die AOK S. und die IKK S. für den Beitragsmonat Mai 2002 führte der Beklagte nicht mehr ab. An die DAK leistete er ab dem Beitragsmonat Juni 2002 keine Beiträge mehr.
Zudem war die K.-GmbH spätestens seit Juni 2002 auch überschuldet, was sich für den Geschäftsführer, also den Beklagten, ebenfalls erkennbar darstellte.
Die IKK S. stellte am 04.11.2002, der Beklagte selbst am 29.11.2002 Insolvenzantrag. Die Insolvenzverfahren wurden gemeinsam durch das Amtsgericht E. mit Beschluss vom 01.03.2003 unter dem Aktenzeichen 2 IN 503/02 eröffnet.
Weil die K.-GmbH keine Gehälter mehr an ihre Arbeitnehmer bezahlen konnte, gewährte die Klägerin für zehn in Anlage K 17 näher bezeichnete Arbeitnehmer der Gesellschaft in der Zeit vom 01.05.2002 bis zum 31.01.2003 für jeweils maximal drei Monate Insolvenzausfallgeld, wobei die Höhe der jeweils geleisteten Zahlungen zwischen den Parteien streitig ist.
Der Beklagte wurde durch Urteil des Amtsgerichts E. unter dem Aktenzeichen 3 Cs 156 Js 47931/03 wegen Insolvenzverschleppung und Verletzung der Buchführungspflicht sowie Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen zu der Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 15,00 EUR im Strafbefehlswege verurteilt, wobei die Einsatzstrafe für die Insolvenzverschleppung mit 60 Tagessätzen angesetzt wurde. In dem Vermerk der Staatsanwaltschaft zum Strafbefehlsantrag heißt es: „Zudem fiel zugunsten des Angeklagten erheblich ins Gewicht, dass er über Jahrzehnte hinweg seinen Betrieb ordentlich geführt hat und erst durch die schlechte wirtschaftliche Gesamtlage in Schwierigkeiten gekommen ist.”
Die Klägerin hat vorgerichtlich den Beklagten zur Zahlung von 31 090,16 EUR Schadensersatz mit Schreiben vom 12.02.2007 aufgefordert. Der Beklagte leistete trotz weiterer Mahnungen auf die Zahlungsaufforderung nicht.
Die Klägerin trägt vor,
ihr stünde ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB gegen den Beklagten zu. Der Beklagte habe durch Unterlassen der rechtzeitigen Stellung des Insolvenzantrages und Fortführung der Gesellschaft über den Zeitpunkt der Insolvenzreife hinaus gegen seine Pflichten als Geschäftsführer verstoßen und dadurch sittenwidrig die Klägerin geschädigt. Das habe er vorsätzlich getan, da er zumindest billigend in Kauf genommen habe, dass der Zeitpunkt kommen werde, in dem die Gesellschaft nicht mehr in der Lage sein würde, die Lohnforderungen ihrer Arbeitnehmer zu erfüllen. Er habe daher voraussehen können, dass mindestens seit dem 01.05.2002 – was nicht bestritten ist – keine Gehälter mehr gezahlt wurden.
Der Beklagte habe nicht darauf vertrauen dürfen, dass sich die Situation der Gesellschaft bessere, da keinerlei Sanierungsmöglichkeiten mehr bestanden.
Die Sittenwidrigkeit der vorsätzlichen Insolvenzverschleppung des Beklagten resultiere ohne weiteres aus der Unterlassung der rechtzeitigen Stellung des Insolvenzantrages bei bestehender Unfähigkeit der Entlohnung der Arbeitnehmer und aus der Tatsache, dass die Antragstellung keine besondere Mühewaltung verursacht hätte.
Die...