Verfahrensgang
AG Stuttgart-Bad Cannstatt (Urteil vom 08.04.1999; Aktenzeichen 4 C 3466/98) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart-Bad Cannstatt vom 8. April 1999 – Az. 4 C 3466/98 – abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 1.768,13 zuzüglich 10 % Zinsen hieraus seit 6. Januar 1998 sowie weitere DM 5,90 zuzüglich 10 % Zinsen hieraus seit 15. Januar 1999 zu bezahlen.
im übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen trägt die Beklagte.
Streitwert: 1.768,13 DM.
Gründe
Die zulässige Berufung und der mit ihr weiter verfolgte Klageanspruch sind bis auf einen minimalen Teil der geltend gemachten Zinsen in vollem Umfang begründet.
Im Streit zwischen den Parteien ist eine außergerichtliche 15/10-Vergleichsgebühr gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 BRAGO.
Die genannte Vorschrift setzt für das Entstehen der Vergleichsgebühr die Mitwirkung des Rechtsanwalts beim Abschluß eines Vergleichs (§ 779 BGB) voraus. Danach ist erforderlich ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewißheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird.
Unproblematisch ist das Vorliegen eines Rechtsverhältnisses (Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und seinem Arbeitgeber). Auch bestand zwischen ihnen infolge der Kündigung Streit bzw. Ungewißheit Ober den Fortbestand dieses Rechtsverhältnisses (Arbeitsverhältnisses).
Streitpunkt in diesem Rechtsstreit ist einerseits, ob ein Vertrag im Sinne des § 779 SGB abgeschlossen wurde, und andererseits, ob ein gegenseitiges Nachgeben vorliegt.
Die Kündigung ist eine einseitige, rechtsgestaltende, empfangsbedürftige, unwiderrufliche Willenserklärung (vgl. Palandt, 58. Auflage, Vorbemerkung vor § 620 Rn 28). Eine Rücknahme der Kündigungserklärung ist nach Zugang (§ 130 SGB) bis zur Beendigung des Dienst-(Arbeits-)verhältnisses (Kündigungstermin) nur durch Vertrag (§ 305 BGB) mit dem Kündigungsempfänger möglich, danach nur durch Neuabschluß des Dienst-(Arbeits-)verhältnisses. In der Rücknahme einer Kündigungserklärung liegt das Angebot, die Kündigungswirkung zu beseitigen und das Arbeitsverhältnis fortzusetzen (Palandt, Einführung vor § 346 Rn 8 und Vorbemerkung vor § 620 Rn 38; BAG NJW 1983, 1628 ff.).
Der Vertrag, der einen Vergleich beinhaltet, bedarf grundsätzlich keiner Form. Er kann auch mündlich abgeschlossen werden. Selbst stillschweigend kann ein solcher Vertrag zustande kommen (Gerold/Schmidt, 14. Auflage 1999, § 23 Rn 6).
Vorliegend fanden Verhandlungen statt zwischen dem Klägervertreter und dem Prokuristen des Arbeitgebers des Klägers, die damit endeten, daß die Kündigung vom 1. Oktober 1997 mit Schreiben vom 10. Oktober 1997 vom Arbeitgeber zurückgenommen wurde, allerdings mit der Einschränkung, daß der Kläger weiterhin von seinen vertraglichen Pflichten gemäß Arbeitsvertrag unter Fortzahlung der Bezüge freigestellt wurde.
Hierin liegt das Angebot des Arbeitgebers auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bzw. auf Neuabschluß je nachdem, zu welchem Zeitpunkt die Kündigung erklärt worden war.
Der Kläger nahm stillischweigend dieses Angebot an, indem er es unterließ, eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einzureichen. Hierin liegt entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht nur ein bloßes Nichthandeln, sondern eine Willenserklärung, nämlich die stillschweigende Annahme des Angebots des Arbeitgebers und zugleich die stillschweigende Erklärung des Verzichts auf die Erhebung der Kündigungsschutzklage, der entgegen der Meinung der Beklagten durch die Rücknahme der Kündigung nicht das Rechtsschutzinteresse entzogen wurde (BAG NJW 1983, 1628 ff.).
Mithin muß von einem Vertrag im Sinne des § 779 BGB ausgegangen werden.
Weitere streitige Voraussetzung für die Bejahung eines Vergleichs ist das gegenseitige Nachgeben, das dann vorliegt, wenn beide Teile Zugeständnisse machen, die zusammengenommen zu einer Einigung über den Gegenstand oder die Ungewißheit führen (Gerold/Schmidt, § 23 Rn 9 mit weiteren Nachweisen).
Das Nachgeben des Arbeitgebers steht außer Zweifel.
Aber auch der Kläger hat nachgegeben nicht nur, indem er die Absicht der Erhebung einer Kündigungsschutzklage fallen ließ, mit der er die Feststellung der Unrechtmäßigkeit der Kündigung und seine Weiterbeschäftigung oder aber die Zahlung einer Abfindungssumme hätte erreichen können, sondern auch, indem er sich darauf einließ, weiterhin von seinen Arbeitspflichten freigestellt zu sein. Auch wenn er seine Bezüge während der Freistellung ausbezahlt erhielt, beinhaltet die Freistellung nicht ohne weiteres für den Kläger einen Vorteil, denn er kann kein neues Arbeitsverhältnis eingehen ohne Nachteile auf das fortbestehende Beschäftigungsverhältnis, ist letztlich zur Untätigkeit verurteilt und auch mit einem Makel behaftet. Gerade wegen dieser Besonderheit läßt sich der Fall nicht vergleichen mit den Entscheidungen des LAG Düsseldorf vom 15. Oktober 1998 in JurBüro 7/1999, 36...