Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadenersatz

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist für den Beklagten vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages.

 

Tatbestand

Die am … geborene Klägerin fordert vom Beklagten Schmerzensgeld und 100 %ige materielle Schadensersatzhaftungsübernahme wegen behaupteter fehlerhafter Behandlung durch den Beklagten nach ihrem Ertrinkungsunfall vom 24.03.2001.

Am Vormittag dieses Tages spielte die damals 2-jährige Klägerin im gemeinsamen Hofraum des elterlichen Hauses … und des Nachbaranwesens der Familie … in …; der uneingezäunte Hofraum befindet sich unmittelbar am Ufer des Chiemsees.

Zunächst waren die Mutter der Kläger und deren Tante, Frau …, ebenfalls im Freien und spielten mit der Klägerin und ihren beiden 7 und 4 Jahre alten Geschwistern.

Die Mutter der Klägerin ging dann ins Haus, um Hausarbeiten zu erledigen und schaute gelegentlich vom Küchenfenster aus zu den Kindern. Als sie dabei bemerkte, daß die Klägerin nicht mehr da war, suchte sie diese im näheren Umkreis des Hauses. Frau … fand die Klägerin dann im ca. 50 m entfernten Chiemsee im Uferbereich ca. 3 m vom Ufer entfernt mit dem Gesicht nach oben treibend.

Auf die Hilferufe der Mutter und der Zeugin … kam der Beklagte, ein niedergelassener Gynäkologe, zur Unfallstelle, der in der Nachbarschaft an seinem Boot gearbeitet hatte. Er stellte sich als Arzt vor, nahm die Klägerin, hielt deren Kopf schräg nach unten, strich ihren Oberkörper von unten nach oben aus, fühlte immer wieder den Puls und führte keine weitere Reanimation durch, weil er die Klägerin für tot hielt.

Nachdem die Klägerin von ihrer Mutter ins Haus gebracht worden war, trafen dort auf einen telefonischen Notruf des Nachbarn … hin Frau … von der Wasserwacht und Dr. … aus Breitbrunn ein, die sofort mit der Reanimation der Klägerin begannen. Die Reanimation wurde vom Notarztteam und dem mit dem Hubschrauber herbeigeholten Kinderarzt aus dem Traunsteiner Krankenhaus mit Intubation und intravenöser Gabe von Adrenalin fortgesetzt, bis die eigentliche Herzfrequenz wieder eingesetzt hatte.

Durch den bis dahin erfolgten Sauerstoffmangel trat eine schwere Gehirnschädigung der Klägerin ein.

Für die Klägerin wird vorgetragen, der Beklagte sei für die Gehirnschädigung der Klägerin allein verantwortlich, weil er nach seinem Hinzukommen als Arzt grob fehlerhaft die Klägerin für tot gehalten habe und in Konsequenz alle gebotenen Reanimationsmaßnahmen unterlassen habe.

Der Beklagte hätte nach medizinischem Basiswissen bis zum Eintreffen eines ausgerüsteten Notarztes in jedem Fal Mund-zu-Mund und Mund-zu-Nase-Beatmung sowie eine Herzdruckmassage durchführen müssen.

Wenn der Beklagte rechtzeitig die von ihm als Arzt zu verlangende sachgerechte Reanimation der Klägerin eingeleitet und bis zum Eintreffen des Notarztes fortgeführt hätte, so wäre hierdurch in jedem Fall eine wesentliche gesundheitliche Verbesserung der Unfallfolgen bei der Klägerin zu erreichen gewesen. Der Beklagte habe durch seine Erklärung, das Kind sei tot und er sei Arzt und er wisse schon, was er tue, veschuldet, daß die Tante der Klägerin und der Nachbar … keine Wiederbelegungsversuche mehr unternahmen.

Die Klägerin beantragt:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin aufgrund des Ertrinkungsunfalles vom 24.03.2001 ein angemessenes Schmerzensgeld zu bezahlen.
  2. Es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche materielle Schäden, die aus dem Ertrinkungsunfall vom 24.03.2001 in … … entstanden sind und künftig entstehen, zu ersetzen, soweit sie nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind oder übergehen.

Der Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Der Beklagte trägt vor, er habe weitergehende Reanimationsmaßnahmen unterlassen, weil er die Klägerin für tot hielt. Wenn ihm als Gynäkologen, der nicht im Notfalldienst arbeite, diese Fehleinschätzung vorgeworfen werde, dann handele es sich allenfalls um einfache Fahrlässigkeit, nicht um einen groben Behandlungsfehler.

Auch sofort bei seinem Eintreffen einsetzende Reanimationsmaßnahmen hätten ein Durchbrechen des Sauerstoffmangels und damit eine Reduktion bzw. eine Verhinderung des streitgegenständlichen Hirnschadens der Klägerin auf keinen Fall gewährleistet. Bis zum Eintreffen von Dr. … und dem Notarztteam habe der Herzschlag der Klägerin nicht wieder in Gang gesetzt werden können. Erst nach der Gabe des Akutmedikamentes Suprarenin und der Intubierung durch die Notärzte sei der Herzschlag wieder ausgelöst worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die informatorischen Angaben der Mutter der Klägerin und des Beklagten im Terminsprotokoll vom 30.07.2003 Bezug genommen.

Beweis wurde erhoben durch Erholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens und Verwertung der Einsatzprotokolle zum streitgegenständlichen Unfal...

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