Verfahrensgang
AG Reutlingen (Entscheidung vom 07.03.2011; Aktenzeichen 21 M 5990/10) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss des Amtsgericht Reutlingen vom 07.03.2011 - 21 M 5990/10 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen
Beschwerdewert : 1300 EUR.
Gründe
Die Gläubigerin hat in diesem Verfahren - wie im Parallelverfahren 5 T 60/11 - den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses beantragt. Grundlage war jeweils ein vor Jahren zugunsten der Quelle AG, später umgewandelt in Quelle GmbH, erlassener Vollstreckungsbescheid. Über das Vermögen der Quelle GmbH wurde am 1.9.2009 das Insolvenzverfahren eröffnet. Als Gläubigerin tritt jeweils die Quelle GmbH, nicht der Insolvenzverwalter, auf.
Die Gläubigerin legte jeweils Freigabeerklärungen des Insolvenzverwalters vor, die belegen sollen, dass es sich bei der Forderung um freies, nicht zur Masse gehörendes Vermögen handelt.
Das Amtsgericht ging davon aus, dass wegen der Umwandlung eine Titelumschreibung nicht erforderlich ist. Das Beschwerdegericht schließt sich dieser Auffassung an.
Das Amtsgericht wies den Antrag der Gläubigerin letztlich deshalb zurück, weil es die Freigabeerklärung nicht als ausreichend angesehen hat.
Die Beschwerde erweist sich im vorliegenden Verfahren - anders als im Parallelverfahren 5 T 60/11 - als unbegründet.
Regelfall nach Insolvenzeröffnung ist die alleinige Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters. Zugleich besteht aber die Möglichkeit der Freigabe von Vermögensgegenständen, beispielsweise Forderungen, aus der Insolvenzmasse durch den Insolvenzverwalter, womit die Forderung in das insolvenzfreie Gemeinschuldnervermögen, vorliegend also in das Vermögen der die Zwangsvollstreckung betreibenden Gläubigerin, zurückfällt.
Dem Amtsgericht gegenüber hat die Gläubigerin die Freigabeerklärung und deren Zugang sowie den Bezug zur verfahrensgegenständlichen, hinreichend bestimmten Forderung in ausreichender Form darzustellen. Dieser Verpflichtung kam die Gläubigerin vorliegend - anders als im Parallelverfahren - nicht nach.
Während im Parallelverfahren, in dem die Kammer den Begründungen des Landgerichts Heidelberg in seinem Beschluss vom 31.3.2011 (6 T 17/11 b) und des Landgerichts Leipzig in seinem Beschluss vom 19.4.2011 (8 T 174/11) folgen konnte, notarielle Urkunden und Bezugsurkunden (Urkunden UR Nr. 139/2010 und 130/2010 des Notars Heitmann in Essen) vorgelegt wurden, die die Freigabe durch den Insolvenzverwalter in Bezug auf die genau bestimmte, verfahrensgegenständliche Forderung belegten, fehlt es vorliegend an einer solchen konkreten Freigabeerklärung.
Vorgelegt wurde auszugweise eine Urkunde UR Nr. 161/2009, die Forderungen der Gläubigerin in einer Anlage beinhalten mag, die dort identifizierbar bezeichnet sind.
Weiter vorgelegt wurde eine notariell beglaubige Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters (UR Nr. 675/2010, Notar Zuhorn, Essen); die Unterschrift des Insolvenzverwalters befindet sich unter einer Freigabeerklärung, die sich auf die von einer beigehefteten Inkassovollmacht betroffenen Forderungen bezieht. Diese Inkassovollmacht für eine Fa. Inkasso Becker Wuppertal enthält allerdings keinen Bezug auf bestimmte Forderungen, sondern soll die "offenen, titulierten Forderungen, resultierend aus Warenlieferungen des Versandhauses Quelle" betreffen. Diese Beschreibung ist nicht ausreichend konkret. Es ist nicht erkennbar, ob die verfahrensgegenständliche Forderung unter diese Inkassovollmacht fällt; ein Bezug zur Urkunde UR Nr. 161/2009 oder zu der dort als Anlage beigefügten Forderungsliste fehlt.
Die Kammer konnte danach auch nicht der Entscheidung des Landgerichts Hanau vom 11.4.2011 (8 T 40/11) folgen, die sich zwar mit einem gleichartigen Vorgang befasst, aber nicht auf die fehlende konkrete Bestimmtheit der betroffenen Forderung eingeht. Die Kammer teilt nicht die Auffassung, dass eine fehlende Bestimmtheit der Forderung durch die einfache Vorlage des Titels ersetzt werden kann. Diese Auffassung überhöht den Legitimationswert des Besitzes an dieser Urkunde unzulässig.
Die Kammer lässt die Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zu. Eine höchstrichterliche Klärung, welche Form und Bestimmtheit eine solche Freigabeerklärung aufweisen muss, ist bisher nicht ersichtlich. Es liegt lediglich eine Vielzahl teilweise divergierender - amts- und landgerichtlicher Entscheidungen auf der Basis tausendfacher Vorgänge im ganzen Bundesgebiet vor.
Fundstellen