Entscheidungsstichwort (Thema)

Werklohnforderung. Gerichtskostenansatz

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 27.08.1999; Aktenzeichen 1 BvL 7/96)

 

Tenor

1. Das Verfahren wird gem. Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG ausgesetzt.

2. Dem Bundesverfassungsgericht wird gem. Art. 100 Abs. 1 GG, § 80 Abs. 1 BVerfGG die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob es verfassungswidrig ist, daß nach Nr. 1201 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 des Gerichtskostengesetzes in der Fassung des Kostenrechtsänderungsgesetzes vom 24.06.1994, Bundesgesetzblatt 1994 I 1325) für erstinstanzliche Verfahren, die mit einem Versäumnisurteil enden, eine dreifache Gebühr erhoben wird – im Gegensatz zu den Ermäßigungstatbeständen der Nr. 1202 und im Gegensatz zur Berufungsinstanz nach dem Vorspann vor Nr. 1100 und nach Nr. 1220 des Kostenverzeichnisses.

 

Tatbestand

I.

1. Die Klägerin hat an einem Bauvorhaben des Beklagten in Pforzheim auftragsgemäß Arbeiten durchgeführt und sie am 30.01.1995 mit einem Betrag von 10.188,22 DM in Rechnung gestellt. Als der Beklagte nicht bezahlte, hat die Klägerin zunächst das Mahnverfahren eingeleitet. Nach dem Widerspruch des Beklagten hat die Klägerin den erforderlichen restlichen Gebührenvorschuß, also insgesamt drei Gerichtsgebühren, eingezahlt, so daß die Sache ins Streitverfahren an das Landgericht Tübingen abgegeben wurde. Da sich der Beklagte hier nicht mehr verteidigte, hat die Kammer im schriftlichen Vorverfahren antragsgemäß am 30.11.1995 (vgl. Blatt 18 der Akten) ein Versäumnisurteil erlassen, das rechtskräftig geworden ist.

Gegen die Gerichtskostenabrechnung vom 12.12.1995, wonach die Klägerin nach Nr. 1201 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz) drei Gebühren mit insgesamt 795,– DM zu zahlen hatte und als Vorschuß gezahlt hat (vgl. Blatt I), hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 20.12.1995 (vgl. Blatt 27) Erinnerung gegen den Kostenansatz eingelegt. Sie vertritt dabei die Ansicht, da der Rechtsstreit mit einem Versäumnisurteil abgeschlossen worden sei, dürfe – wie bei einem Anerkenntnis- und Verzichtsurteil nach Nr. 1202 b des Kostenverzeichnisses – insgesamt nur eine Gerichtsgebühr anfallen. Die abweichende Regelung im neuen Gerichtskostenrecht stelle eine unzulässige Ungleichbehandlung dar.

Der Beklagte hat sich mit Schriftsatz vom 16.01.1996 (Blatt 33) dieser Erinnerung angeschlossen.

Der zuständige Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat den Erinnerungen nicht abgeholfen.

2. Beide Erinnerungen sind zulässig.

Insbesondere ist die Klägerin auch beschwert.

Die Beschwer der Klägerin liegt darin, daß sie als Veranlasserin des Rechtsstreits Kostenschuldnerin nach § 49 GKG ist und nach § 65 Abs. 1 GKG die angefallenen Gebühren einzahlen mußte.

Sie kann zwar im Weg der Kostenfestsetzung nach §§ 103 ff ZPO über § 91 Abs. 1 ZPO die angefallenen Gerichtskosten gegen den Beklagten festsetzen lassen, wie es auch im vorliegenden Fall geschehen ist (vgl. Blatt 22/23 der Akten). Die Beschwer der Klägerin wird aber erst entfallen, wenn sie diesen Kostenfestsetzungsbeschluß erfolgreich gegen den Beklagten vollstreckt hat. Das ist derzeit noch nicht geschehen. Es ist auch nicht ersichtlich, ob und in welchem Umfang gegen den Beklagten, der die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat, eine Vollstreckung möglich sein wird.

Auch die Erinnerung des Beklagten ist – zumindest als selbständiger Anschlußrechtsbehelf – zulässig. Dem Beklagten fehlt auch nicht die erforderliche Beschwer. Denn auf ihn werden – wie es der Umweg über das Kostenfestsetzungsverfahren auch bezweckt – langfristig die beiden zusätzlichen Gerichtsgebühren abgewälzt.

Zwar wirkt sich nicht mehr aus, daß er nach § 54 Nr. 1 GKG weiterer Kostenschuldner geworden ist, nachdem ihm im Versäumnisurteil die Kosten des Rechtsstreits auferlegt wurden. Denn die Gerichtskasse kann und wird ihn nicht mehr in Anspruch nehmen, da die Klägerin als Folge der Vorschußpflicht alle angefallenen Kosten bereits gezahlt hat.

Dahinstehen kann auch, wie weit es – nach einem Erfolg der Erinnerung und dieser Richtervorlage – möglich sein wird, den Kostenfestsetzungsbeschluß noch hinsichtlich der beiden Gerichtsgebühren abzuändern.

Jedenfalls durch die Abtretung des Rückerstattungsanspruches gegen die Gerichtskasse, der im Verhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten erfolgt ist (vgl. Blatt 34/35), ist sichergestellt, daß dem Beklagten eine Abänderung des Kostenansatzes noch zugute kommen kann.

3. Ob die Erinnerungen in der Sache begründet sind, hängt allein davon ab, ob die Neuregelung in Nr. 1201 und 1202 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 des Gerichtskostengesetzes) verfassungswidrig ist. Die gesetzliche Regelung ist eindeutig (wenn man einmal von dem mißverständlichen Vorspann vor Nr. 1100 „Für ein Versäumnisurteil gegen die säumige Partei, ein Anerkenntnisurteil und ein Verzichtsurteil wird eine Urteilsgebühr nicht erhoben” absieht; dieser Vorspann gilt aber nach dem im Gesetzgebungsverfahren niedergelegten Willen des Gesetzgebers nicht mehr für die erste Instanz, vgl. Bundes...

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