Ein Gericht kann eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Vorschrift nach Art. 100 Abs. 1 GG nur einholen, wenn es zuvor sowohl die Entscheidungserheblichkeit der Vorschrift als auch ihre Verfassungsmäßigkeit sorgfältig geprüft hat (vgl. BVerfGE 86, 71 ≪76≫). Dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG genügt ein Vorlagebeschluß daher nur dann, wenn die Ausführungen des Gerichts erkennen lassen, daß es eine solche Prüfung vorgenommen hat. Das Gericht muß nicht nur darlegen, daß seine Entscheidung von der Gültigkeit der zur Prüfung gestellten Norm abhängt, sondern auch seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit dieser Norm näher begründen. Das Gericht muß die für seine Überzeugung maßgeblichen Erwägungen nachvollziehbar darlegen und sich dabei jedenfalls mit naheliegenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten auseinandersetzen (vgl. BVerfGE 86, 52 ≪57≫; stRspr). Hierbei muß es insbesondere die in Literatur und Rechtsprechung entwickelten Rechtsauffassungen berücksichtigen (vgl. BVerfGE 65, 308 ≪316≫; stRspr), auf einschlägige Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts eingehen (vgl. BVerfGE 79, 240 ≪243 ff.≫) und sich gegebenenfalls auch mit der Entstehungsgeschichte der Norm auseinandersetzen (vgl. BVerfGE 92, 277 ≪312≫; stRspr). Wird im Vorlagebeschluß in bezug auf die zur Überprüfung gestellte Norm ein verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab zugrunde gelegt, der zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in offenkundigem Widerspruch steht, hat das vorlegende Gericht seinen hiervon abweichenden Maßstab in Auseinandersetzung mit der vorliegenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts näher zu begründen (vgl. BVerfGE 80, 182 ≪186≫).
Hierbei handelt es sich nicht nur um formale Anforderungen an Vorlagebeschlüsse, die ohne weiteres verzichtbar wären. Eine sorgfältige Prüfung der Voraussetzungen für eine Vorlage ist vielmehr schon deshalb geboten, weil das Gericht mit der Aussetzung des Verfahrens den Beteiligten zunächst eine Entscheidung in der Sache verweigert und die Erledigung des Rechtsstreits verzögert (vgl. BVerfGE 78, 165 ≪178≫). Darüber hinaus verlangt der Grundgedanke des Art. 100 Abs. 1 GG, der die Autorität des parlamentarischen Gesetzgebers im Verhältnis zur Rechtsprechung sichern soll, daß das Gericht sich seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der Norm in Auseinandersetzung mit den hierfür maßgeblichen Gesichtspunkten bildet (vgl. BVerfGE 86, 71 ≪77≫). Schließlich dient das Begründungserfordernis auch der Entlastung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 83, 111 ≪116≫).
Diesen Anforderungen genügt der Vorlagebeschluß vom 21. März 1996 in Verbindung mit dem Ergänzungsbeschluß vom 6. August 1998 nicht. Das vorlegende Gericht hat – trotz des Umfangs seiner Ausführungen – seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung gestellten Norm nicht hinreichend dargelegt.
a) Der wesentliche Mangel in der Begründung besteht darin, daß sich das Landgericht nicht ausreichend mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Erhebung von Gebühren auseinandergesetzt und ohne hinreichende Begründung seiner verfassungsrechtlichen Beurteilung einen Prüfungsmaßstab zugrunde gelegt hat, der mit dieser Rechtsprechung nicht in Einklang steht.
Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt betont, daß das Grundgesetz einen eigenständigen Gebührenbegriff, aus dem sich unmittelbar Kriterien für die Verfassungsmäßigkeit von Gebührenmaßstäben, Gebührensätzen oder Gebührenhöhen ableiten ließen, nicht enthält (vgl. BVerfGE 50, 217 ≪225 f.≫; 97, 332 ≪344 f.≫). Gebühren sind öffentlichrechtliche Geldleistungen, die aus Anlaß individuell zurechenbarer öffentlicher Leistungen dem Gebührenschuldner durch eine öffentlichrechtliche Norm oder sonstige hoheitliche Maßnahmen auferlegt werden und dazu bestimmt sind, in Anknüpfung an diese Leistung deren Kosten ganz oder teilweise zu decken. Ihre besondere Zweckbestimmung, Einnahmen zu erzielen, um die Kosten der individuell zurechenbaren öffentlichen Leistung ganz oder teilweise zu decken, unterscheidet sie von der Steuer. Aus dieser Zweckbestimmung folgt, daß Gebühren für staatliche Leistungen nicht völlig unabhängig von den tatsächlichen Kosten der gebührenpflichtigen Staatsleistung festgesetzt werden dürfen; die Verknüpfung zwischen Kosten und Gebührenhöhe muß sachgerecht sein (BVerfGE 50, 217 ≪226≫; 85, 337 ≪346≫; 97, 332 ≪345≫). Aus der Zweckbindung der Gebühr ergibt sich jedoch keine verfassungsrechtlich begründete Begrenzung der Gebührenhöhe durch die tatsächlichen Kosten einer staatlichen Leistung. Art. 3 Abs. 1 GG steht weder einer Unterdeckung noch einer Überdeckung der Kosten durch die Gebühren von vornherein entgegen (vgl. BVerfGE 50, 217 ≪226≫). Das Kostendeckungsprinzip und ähnliche gebührenrechtliche Prinzipien sind keine Grundsätze mit verfassungsrechtlichem Rang. Mit einer Gebührenregelung dürfen neben der Kostendeckung auch andere Zwecke verfolgt werden. Innerhalb seiner jeweiligen Regelungskompetenzen verfügt der Gebührengesetzgeber über einen weiten Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum, welche individuell zurechenbaren öffentlichen Leistungen er einer Gebührenpflicht unterwerfen, welche Gebührenmaßstäbe und Gebührensätze er hierfür aufstellen und welche über die Kostendeckung hinausgehenden Zwecke, etwa einer begrenzten Verhaltenssteuerung in bestimmten Tätigkeitsbereichen, er mit einer Gebührenregelung anstreben will (vgl. BVerfGE 50, 217 ≪226 f.≫; 97, 332 ≪345≫).
Diese zuletzt in dem Beschluß des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 10. März 1998 (BVerfGE 97, 332 ff.), der zum Zeitpunkt der Abfassung des Ergänzungsbeschlusses des Landgerichts Tübingen vom 6. August 1998 in der Fachpresse bereits veröffentlicht war (z.B. in NJW 1998, S. 2128 ff.), zusammengefaßten Gesichtspunkte hat das vorlegende Gericht nicht ausreichend berücksichtigt. Es hat sich in dem Ergänzungsbeschluß zwar ausführlich damit beschäftigt, ob die vorliegende gebührenrechtliche Differenzierung zu einer personenbezogenen Ungleichbehandlung führt, dem weiteren Hinweis in dem Berichterstatterschreiben auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Gebührenrecht aber nicht hinreichend Rechnung getragen. Bei der Prüfung der Frage, ob sich für die von dem Gesetzgeber getroffene Differenzierung zwischen den durch Nr. 1202 KV gebührenmäßig begünstigten Erledigungsarten einerseits und dem gebührenmäßig nicht begünstigten Versäumnisurteil andererseits sachliche Gründe finden lassen, hat das Gericht allein auf den mit dem jeweiligen Beendigungstatbestand verbundenen gerichtlichen Arbeitsaufwand abgestellt, sich aber nicht in ausreichender Weise damit auseinandergesetzt, inwiefern der Gesetzgeber die Befugnis hatte, mit der Gebührenregelung in verfassungsrechtlich zulässiger Weise neben der Kostendeckung auch andere Zwecke zu verfolgen. Dadurch, daß das Gericht diesen Gesichtspunkt ausgeklammert und auf ein in dieser Weise eingeengtes gebührenrechtliches Äquivalenzprinzip abgestellt hat, dessen Verfassungsrang das Bundesverfassungsgericht auch in dem Beschluß vom 6. Februar 1979, auf den sich das Landgericht in erster Linie bezieht, gerade nicht bestätigt hat (vgl. BVerfGE 50, 217 ≪233≫), hat es einen Prüfungsmaßstab angewandt, der den Gestaltungsrahmen des Gesetzgebers wesentlich stärker einschränkt, als dies nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geboten ist.
Das Landgericht hätte sich vor diesem Hintergrund insbesondere damit auseinandersetzen müssen, daß es ein Hauptziel des Gesetzgebers war, die bisherige, wenig wirksame Feinsteuerung mit den Mitteln des Gerichtskostenrechts aufzugeben und an ihre Stelle eine Pauschalgebühr zu setzen, die nur einen, dafür spürbaren Ermäßigungstatbestand kennt, der einen Anreiz zur vollständigen Erledigung des Verfahrens ohne Urteil geben soll (vgl. BTDrucks 12/6962 S. 52). Bei der Frage, ob der mit einer Gebührenregelung verfolgte Zweck außer Verhältnis zu der dem Bürger auferlegten Gebühr steht, sind alle mit der Gebührenregelung verfolgten, verfassungsrechtlich zulässigen Zwecke als Abwägungsfaktoren in die Verhältnismäßigkeitsbetrachtung einzubeziehen (vgl. BVerfGE 50, 217 ≪227≫). Dies hat das Landgericht aufgrund der Nichtberücksichtigung der mit der Neuregelung (auch) bezweckten begrenzten Verhaltenssteuerung nicht getan und damit seine Auffassung, der Gesetzgeber habe mit der zur Prüfung gestellten Gebührenregelung seinen Gestaltungsspielraum überschritten, nicht in einer § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG genügenden Weise begründet.
b) Soweit das Landgericht darüber hinaus die Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung vorgelegten Vorschrift aus der unterschiedlichen gebührenrechtlichen Behandlung von Versäumnisurteilen erster und zweiter Instanz ableiten will, hat es sich ebenfalls nicht ausreichend mit der Gesetzesbegründung auseinandergesetzt, nach der die Einführung der pauschalen Verfahrensgebühr deshalb zunächst nur für Zivilsachen erster Instanz erfolgen sollte, weil sich die Auswirkungen auf den Prozeßverlauf nicht abschließend vorhersehen ließen (BTDrucks 12/6962 S. 52). In dem Ergänzungsbeschluß vom 6. August 1998 hat das Gericht zwar ausgeführt, es verkenne nicht die Befugnis des Gesetzgebers, zunächst durch eine Teilregelung eines Bereichs eine Konzeption zu erproben, bevor diese insgesamt eingeführt werde. Warum im vorliegenden Fall diese Befugnis dennoch nicht bestehen soll, wird aber nicht hinreichend dargelegt. Insbesondere hat sich das Gericht nicht damit auseinandergesetzt, daß dem Gesetzgeber ein Einschätzungs- und Prognosespielraum zusteht (vgl. BVerfGE 50, 290 ≪333 f.≫) sowie die Befugnis, sich bei komplexeren Sachverhalten zunächst mit groben Typisierungen zu begnügen, um binnen angemessener Zeit Erfahrungen zu sammeln (vgl. BVerfGE 75, 108 ≪162≫).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.