Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnraumkündigungsrecht des Erwerbers nach Erwerb durch Zwangsversteigerung. Zur Wohnraumkündigung nach Erwerb durch Zwangsversteigerung
Leitsatz (amtlich)
Ein Kündigungsrecht des Erstehers nach Zwangsversteigerung von Wohnraum entsteht nur unter den Voraussetzungen des BGB § 564b.
Orientierungssatz
1. Ein Kündigungsrecht des Erstehers entsteht nur unter den Voraussetzungen des BGB § 564b.
2. Dies gilt auch für Kündigungen nach ZVG § 57a (So auch LG München I 1977-11-16, 14 S 7020/77, WuM 1978, 70; So auch LG Hamburg, 1975-07-04, 11 S 76/75, WuM 1976, 78).
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt vor dem Amtsgericht die Verurteilung der Beklagten zur Räumung und Herausgabe einer 4-Zimmer-Wohnung im Hause ... , die die Beklagte durch Vertrag vom 22.9.1977 (Bl 15/18) für die Zeit vom 1.10.1977 bis 30.11.1983 gemietet hat. Nachdem die Klägerin die Wohnung am 26.1.1978 im Wege der Zwangsversteigerung zu Eigentum erworben hatte, kündigte sie das Mietverhältnis mit Schreiben vom 2.2.1978 (Bl 8) zum 30.4.1978 unter Berufung auf § 57a ZVG.
Das Amtsgericht hat der Beklagten das nachgesuchte Armenrecht mit der Begründung verweigert, die Rechtsverteidigung der Beklagten biete keine Aussicht auf Erfolg (Bl 33). Der dagegen eingereichten Beschwerde (Bl 37/39) hat das Amtsgericht nicht abgeholfen (Bl 40).
II.
Die Beschwerde ist zulässig (§ 127 Satz 2 ZPO).
Sie ist auch begründet, da die Rechtsverteidigung der Beklagten entgegen der Ansicht des Amtsgerichts hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 Abs 1 Satz 1 ZPO).
Die Kammer schließt sich der in Rechtsprechung und Literatur herrschenden Meinung an, wonach ein Kündigungsrecht des Ersteigerers nach § 57a ZVG im Falle einer Wohnraummiete nur unter den Voraussetzungen des § 564b BGB besteht (Palandt-Putzo, Anm 2a zu § 564b BGB; RGRK-Gelhaar, RdNr 6 zu § 564b BGB; Staudinger-Sonnenschein, RdNr 13 zu § 564b BGB; Schmidt-Futterer, Wohnraumschutzgesetze, Anm B 459; Hans, Das neue Mietrecht, Anm B 2a zu § 564b BGB; Schopp ZMR 75/97, 98; Pergande NJW 51/737, 740; LG Hamburg ZMR 75/121; AG Hamburg WM 75/249; LG Hamburg WM 76/78; AG Hamburg ZMR 76/286; LG Essen WM 76/264; LG München WM 78/70 unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien; anderer Ansicht Zeller, Zwangsversteigerungsgesetz, Anm 15 zu § 57a ZVG; vgl auch Mohrbutter, Handbuch des gesamten Vollstreckungsrechts und Insolvenzrechts, 2. Aufl, § 41). § 57a ZVG stellt ein außerordentliches befristetes Kündigungsrecht des Ersteigerers dar, das unabhängig von einer mietvertraglich vereinbarten Mietdauer oder von vertraglich vorgesehenen Kündigungsfristen allein unter Beachtung der Fristen des § 565 BGB ausgeübt werden darf, dem Ersteigerer also einen in zeitlicher Hinsicht verbesserten Zugriff auf die zu Eigentum erworbene Wohnung gestattet. In der Gewährung eines derartigen zeitlichen Vorteils erschöpft sich die Wirkung des § 57a ZVG, so daß der Ersteigerer weitere - über die Einhaltung der Fristen des § 565 BGB hinausgehende - gesetzlich vorgesehene Erfordernisse für die Kündigung eines Wohnraummietvertrages, insbesondere also die Voraussetzungen des § 564b BGB, zu beachten hat. Aus dem Wortlaut des § 564b BGB läßt sich keine Beschränkung der Anwendung dieser Vorschrift auf ordentliche fristgemäße Kündigung entnehmen. Vielmehr gebieten Sinn und Zweck dieser Kündigungsschutzbestimmung, die den vertragstreuen Mieter nur unter erschwerten Voraussetzungen, nämlich nur im Falle eines berechtigten Interesses des Vermieters, zur Aufgabe der Wohnung zwingen will, daß eine Anwendung auch auf außerordentliche (vorzeitige) befristete Kündigungen, die ihren Grund nicht in einem vertragswidrigen Verhalten des Mieters haben, zu erfolgen hat. Auch aus den Gesetzesmaterialien zum 2. Wohnraumkündigungsschutzgesetz vom 18.12.1974 (BGBl I S 3603) ist zu entnehmen, daß § 564b BGB nach dem Willen des Gesetzgebers auch auf Kündigungen nach § 57a ZVG anwendbar sein sollte, ein berechtigtes Interesse des Vermieters von Wohnraum also auch bei einer Kündigung nach § 57a ZVG vorliegen muß (vgl dazu im einzelnen LG München WM 78/70).
Im vorliegenden Fall hat die Klägerin ein derartiges berechtigtes Interesse im Sinne des § 564b BGB nicht dargetan. Insbesondere führt eine eventuelle Verkaufsabsicht der Klägerin nicht zu Annahme eines berechtigten Interesses. Schon das Schreiben vom 2.2.1978 ist, da es allein auf § 57a ZVG Bezug nimmt, nicht als wirksame Kündigung anzusehen (vgl insoweit LG Mannheim MDR 76/403; LG Karlsruhe MDR 78/672).
Allein der Umstand, daß die Klägerin die von der Beklagten gemietete Wohnung ersteigert hat, reicht ebenfalls nicht aus, um der Klägerin ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 564b BGB zuzubilligen. Wollte man im Falle einer Kündigung nach § 57a ZVG dem Ersteigerer allein aufgrund seines Eigentumserwerbs ein berechtigtes Interesse an der Kündigung einräumen, wäre die Berücksichtigung des § 564b BGB bei der Prüfung der Zulässigkeit der Kündigung ohne sachliche Bedeutung, was dem beschriebenen Sinn der Künd...