Gründe
Die Berücksichtigung eines ›merkantilen Minderwertes‹ als Vermögensschaden ist nicht dadurch ausgeschlossen, daß es sich bei dem Unfallfahrzeug nicht um einen Pkw, sondern um ein Motorrad handelt. Der tragende Gesichtspunkt für die Zubilligung eines merkantilen Minderwertes liegt darin, daß ein erheblich beschädigtes Unfallfahrzeug trotz Behebung der technischen Schäden vom Markt im allgemeinen geringer bewertet wird als ein unfallfrei gefahrenes Fahrzeug. Ein großer Teil der Käufer ist - vor allem wegen des Verdachts verborgen gebliebener Schäden und der möglicherweise bestehenden höheren Schadensanfälligkeit des wiederhergestellten Fahrzeugs - nicht bereit, für das instandgesetzte Fahrzeug den gleichen Preis zu zahlen wie für ein entsprechendes unfallfreies Fahrzeug. Erhebliche Vorschäden jedenfalls bei neueren Kfz zwingen so den (potentiellen) Verkäufer des Fahrzeugs, auch bei technisch einwandfreier Schadensbehebung, wegen des Unfallschadens und - jedenfalls für den Laien - nicht auszuschließender ›Spätfolgen‹ auf Preisnachlaßwünsche des Käufers einzugehen. Dies alles trifft auch auf Motorräder zu.
In diesem Rahmen kann dahinstehen, ob das für die Zuerkennung eines merkantilen Minderwertes entscheidende Kriterium die nach erheblicher Vorreparatur verbleibende Gefahr höherer Schadensanfälligkeit als solche darstellt, oder erst die Bewertung der Gefahr höherer Schadensanfälligkeit durch den Käufermarkt [vgl. dazu vorstehend ES Kfz-Schaden C-2/11 und ES Kfz-Schaden C-2/13]. Besteht wie hier für die betreffende Art von Fahrzeugen ein Gebrauchtfahrzeugmarkt, wird jedenfalls ein großer Teil der Käufer von Unfallfahrzeugen nicht bereit sein, für wieder instand gesetzte Fahrzeuge denselben Preis zu bezahlen wie für entsprechende unbeschädigte Fahrzeuge.
Dies kann nicht mit der Erwägung verneint werden, wegen der Eigenart der Reparatur von Motorrädern sei hier bei ordnungsgemäßer Reparatur aus technischer Sicht ein nicht erkennbarer Spätschaden ausgeschlossen. Diese Erkenntnis wird nämlich der durchschnittliche Motorradkäufer sich nicht zu eigen machen können. Einerseits kann er nicht beurteilen, ob die Reparatur fachmännisch durchgeführt wurde. Zum anderen kann auch von einem vernünftig denkenden Nichtfachmann nicht der technische Sachverstand erwartet werden, der ihm die Beurteilung erlauben könnte, der Schaden sei vollständig und ohne ein verbleibendes Risiko erhöhter Schadensanfälligkeit behoben.
Die Kammer hält aufgrund dessen jedenfalls dann, wenn - wie hier - ein relativ neues, nicht vorgeschädigtes Motorrad bei einem Unfall so stark beschädigt wird, daß umfangreiche Reparaturen im Reparaturwert von etwa einem Viertel des Neupreises entstehen, einen Vermögensschaden in Form merkantiler Wertminderung für gegeben ... .
Die Höhe des merkantilen Minderwertes bemißt die Kammer aufgrund der geringen Laufleistung des beschädigten Motorrads und des erforderlichen Reparaturaufwands mit 400 DM, wobei insbesondere berücksichtigt ist, daß die Reparatur im wesentlichen durch Austausch von Teilen vorgenommen wurde.
Fundstellen
Haufe-Index 2996835 |
VersR 1984, 1178 |
ES Kfz-Schaden C-2/22 |