Entscheidungsstichwort (Thema)
Räumung und Herausgabe
Verfahrensgang
AG Ulm (Urteil vom 03.08.1989; Aktenzeichen 2 C 882/89-03) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Ulm vom 03.08.1989 – 2 C 882/89-03 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.
verkündet am 06.12.1989
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestands wird abgesehen (§ 543 Abs. 1 ZPO).
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg.
Die Kündigung des Klägers vom 28.02.1988 wäre nur dann wirksam, wenn zu Lasten der Beklagten festgestellt werden könnte, daß das Belassen des Dackels „…” in der Mietwohnung eine erhebliche Verletzung des Mietvertrages ist, die die Fortsetzung des Mietverhältnisses für den Kläger unzumutbar macht (§§ 553, 554 a BGB) oder aber ein berechtigtes Interesse des Klägers an den Beendigung des Mietverhältnisses deshalb begründet, weil die Beklagten dadurch ihre mietvertragliche Pflicht schuldhaft nicht unerheblich verletzt haben (§ 564 b II Ziff. 1 BGB). Dieses ist nicht der Fall.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die fehlende Erlaubnis des Klägers zur Tierhaltung in der Mietwohnung der Beklagten überhaupt die Kündigung begründen kann, ohne daß die Frage der Berechtigung der Tierhaltung zunächst durch Unterlassungsklage geklärt worden ist (vgl. hierzu verneinend Sternel, Mietrecht, 3. Aufl. Anm. II 172, IV 380 m.w. Zitaten). Der Räumungsanspruch des Klägers scheitert jedenfalls daran, daß aufgrund der besonderen Umstände des zur Entscheidung stehenden Sachverhalts die Beklagten einen Anspruch auf Genehmigung des Verbleibs des Hundes „…” in ihrer Wohnung haben.
In der Sache streiten die Parteien um die Unterlassung der Haltung des Hundes „…”, einen Anspruch, den der Kläger aus § 9 Ziff. 4, § 22 des Mietvertrages ableitet. Darin wird die Tierhaltung nicht grundsätzlich verboten, jedoch von der Zustimmung des Vermieters abhängig gemacht. Das Verständnis der Klausel ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles im Wege der Auslegung zu ermitteln (RE OLG Hamm WuM 81/53 ff.; RE OLG Karlsruhe WM 81/248 ff.; Schmid, WuM 88/343, 346). Grundsätzlich steht hierbei in Frage, ob die Klausel im Sinne eines freien Ermessens oder eines gebundenen Ermessens zu verstehen ist, ob mithin der Vermieter die Zustimmung zur Tierhaltung nur dann versagen darf, wenn hierfür gewichtige sachliche Gründe vorliegen. Es kann im zur Entscheidung stehenden Sachverhalt offenbleiben, ob die mietvertragliche Regelung überhaupt das vom Kläger behauptete freie Ermessen, das nicht durch rechtfertigende sachliche Gründe getragen sein muß, bei der Entscheidung über die Versagung der Hundehaltung einräumt. Auf ein abweichendes Verständnis der Vertragsparteien, nämlich im Sinne eines gebundenen Ermessens, daß der Mieter die Zulässigkeit nicht generell versagen, sondern aufgrund sachlicher Abwägungen im Einzelfall entscheiden will, könnte u.a. schon der Umstand hindeuten, daß auch der Kläger anfänglich jedenfalls die zeitweilige Belassung des Hundes in der Wohnung aufgrund der besonderen Situation der Beklagten nach der Erkrankung der Mutter erlaubt hat (zur Auslegung des Mietvertrags siehe OLG Karlsruhe WuM 81/248). In der vorliegenden Situation der Beklagten, die aufgrund besonderer äußerer Umstände in einer gewissen Zwangslage die Pflege des Hundes ihrer Mutter übernommen haben, entspräche es jedenfalls nicht Treu und Glauben im partnerschaftlichen Verhältnis von Vermieter und Mieter, wenn die nachgesuchte Erlaubnis der Hundehaltung verweigert würde. Bei dieser Wertung ist insbesondere zu berücksichtigen, daß für die Beklagten eine familiäre Verpflichtung zur Pflege des alten Hundes ihrer Mutter wegen deren Erkrankung bestand, daß der Hund im Kreise der anderen Mietparteien des Hauses des Klägers akzeptiert wird und daß von ihm nachweislich keine Störungen des Hausfriedens oder sonstige Belästigungen ausgehen.
Bei dieser Sachlage stellt es jedenfalls keine erhebliche Vertragsverletzung der Beklagten dar, wenn sie den Dackel „…” trotz Abmahnung des Klägers in ihrer Wohnung belassen haben. Die Kündigung des Klägers ist deshalb nicht wirksam, so daß auf die Berufung der Beklagten das amtsgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO abzuweisen ist.
Fundstellen