Leitsatz (amtlich)
Wird ein Hauptverhandlungshaftbefehl angeordnet, so muss er Tatsachen enthalten, aus denen sich der Haftgrund ergibt. Die bloße Angabe der gesetzlichen Vorschrift ermöglicht es dem Betroffenen nicht, sich gezielt gegen das Haftargument zu verteidigen.
Verfahrensgang
AG Pirmasens (Entscheidung vom 30.12.2008) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Angeklagten vom 26.02.2009 wird der Haftbefehl des AG Pirmasens vom selben Tage aufgehoben.
Gründe
I.
Mit Verfügung vom 30.12.2008 bestimmte der Vorsitzende des Schöffengerichtes des AG Pirmasens Termin zu Hauptverhandlung auf Donnerstag , den 26.02.2009, 09:00 Uhr, Saal 27 und lud den Angeklagten mit Postzustellungsurkunde (Bl. 1183 d.A.). zu diesem Termin. Ausweislich der Postzustellungsurkunde wurde die Ladung niedergelegt, da die Einlegung in einen Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung nicht möglich war.
Mit Schriftsatz vom 23.02.2009 teilte der Verteidiger des Angeklagten mit, dass der Angeklagte am Hauptverhandlungstermin nicht teilnehmen könne. Die Ladung sei dem Angeklagten nicht zugegangen. Er habe auch keine Kenntnis von dem Termin. Im Hinblick hierauf hat der Verteidiger angeregt, das Verfahren auf den 03.03.2009 zu vertagen.
In dem Termin vom 26.02.2009 erschien der Angeklagte nicht. Ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls wurde zunächst die sofortige Vorführung des Angeklagten angeordnet. Nachdem dieser an seiner Meldeadresse nicht angetroffen werden konnte, verkündete der Vorsitzende - nach Beratung des Gerichts - gegen den Angeklagten einen Haftbefehl gemäß § 230 Abs. 2 StPO.
Inhaltlich nimmt der Haftbefehl lediglich Bezug auf § 230 Abs. 2 StPO und führt im Übrigen die dem Angeklagten zur Last gelegten Taten - nebst anzuwendenden Strafvorschriften - auf. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Haftbefehl vom 26.02.2009 verwiesen (Bl. 1191 ff d.A.).
Mit Schriftsatz vom 26.02.2009 hat der Verteidiger des Angeklagten Beschwerde gegen den Haftbefehl eingelegt. Hinsichtlich der Begründung wird auf die Beschwerdeschrift vom 26.02.2009 verwiesen (Bl. 1210 ff d.A.).
II.
Die zulässige Beschwerde hat Erfolg. Der Haftbefehl des AG Pirmasens vom 26.02.2009 war aus formellen Gründen aufzuheben.
Der im Hauptverhandlungstermin am 26.02.2009 verkündete, angefochtene Beschluss ist aufzuheben, weil er den Anforderungen der §§ 230, 114 Abs. 2 Nr. 2 StPO nicht genügt.
§§ 114 ff StPO sind unmittelbar auch auf Haftbefehle nach § 230 Abs. 2 StPO anzuwenden. Es müssen also Angaben zu der dem Angeklagten zur Last gelegten Tat (Sachverhalt und Strafvorschriften), dem Ausbleiben bei der Hauptverhandlung, der fehlenden oder ungenügenden Entschuldigung und gegebenenfalls der Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes enthalten sein (vgl. Beck'scher Online Kommentar, StPO, Stand 2008, § 230 Rn. 17). Der Haftbefehl muss eine aus sich selbst heraus verständliche, sichere Grundlage für das durch ihn ausgelöste weitere Verfahren und die dort zu treffenden Haftentscheidungen bilden. Formal muss daher der schriftliche Haftbefehl die Anordnung der Haft nach § 230 Abs. 2 StPO enthalten und den Grund des Ausbleibens ohne genügende Entschuldigung trotz ordnungsgemäßer Ladung dafür bezeichnen, damit eine Überprüfung der Haftanordnung erfolgen kann (KMR-Eschelbach, StPO, Stand April 2007, § 230 Rn. 45).
Diesen Anforderungen genügt der Haftbefehl vom 26.02.2009 nicht. Allein der Umstand, dass "Untersuchungshaft gemäß § 230 Abs. 2 StPO angeordnet wird", gibt keine Tatsachen, wieder aus denen sich der Haftgrund ergibt. Die bloße Angabe der gesetzlichen Vorschrift ermöglicht nämlich dem Angeklagten nicht, sich gezielt gegen das Haftargument zu verteidigen. Zwar kann dem Hauptverhandlungsprotokoll vom 26.02.2009 entnommen werden, dass sich das Gericht mit den dem Haftbefehl zugrunde liegenden Tatsachen befasst hat (ordnungsgemäße Ladung, Verhältnismäßigkeit des Hauptverhandlungshaftbefehls); dies genügt allerdings nicht. Diese Umstände müssen dem Haftbefehl selbst entnommen werden können.
Fehlt die Angabe der Tatsachen aus denen sich der Haftgrund ergibt, ist der Haftbefehl aufzuheben. Eine Behebung solcher - nicht nur unerheblicher - Mängel durch das Beschwerdegericht kommt in einem solchen Fall nicht in Betracht (vgl. Hermann, Untersuchungshaft, ZAP, 1. Auflage 2008, Rn. 495 unter Hinweis auf OLG Oldenburg NStZ 2007, 82; OLG Celle StV 1998, 385 ff).
Sollte der Angeklagte zum Hauptverhandlungstermin vom 03.03.2009 nicht erscheinen, bleibt es dem AG Pirmasens unbenommen, einen Hauptverhandlungshaftbefehl unter Angabe der die Haftanordnung rechtfertigenden Haftumstände zu erlassen.
Fundstellen
Haufe-Index 3028539 |
NJW 2009, 1828 |
NJW 2009, 1828-1829 |
NJW 2009, X Heft 19 (red. Leitsatz) |
NStZ 2010, 204 |
VRS 2009, 120 |
VRS 2009, 120-122 |
NJW-Spezial 2009, 346 |