Entscheidungsstichwort (Thema)
Gebührenstreitwert für die Räumungsvollstreckung
Leitsatz (amtlich)
Der Gegenstandswert für die Zwangsvollstreckung auf Räumung und Herausgabe von Miet- oder Pachträumen bemißt sich analog GKG § 16 nach dem für die Dauer eines Jahres zu entrichtenden Miet- oder Pachtzins.
Nachgehend
Tenor
1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Gegen diese Entscheidung wird die weitere Beschwerde zugelassen.
Gründe
Das Amtsgericht hat mit Recht den Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit zur Betreibung der Räumungsvollstreckung auf den Betrag festgesetzt, der dem für die Dauer eines Jahres zu entrichtenden Mietzins entspricht. Bis zum Inkrafttreten des Kostenrechtsänderungsgesetzes 1994 ergab sich dies unmittelbar aus dem Gesetz (§§ 8 BRAGO, 16 Abs. 2 GKG). Zwar wird nunmehr für den Rechtsanwalt der Gegenstandswert in der Zwangsvollstreckung nach § 57 Abs. 2 BRAGO n.F. bestimmt, wonach bei der Herausgabevollstreckung der Gegenstandswert der Sache maßgebend ist. Unter Berufung auf den Wortlaut der Vorschrift wird nunmehr die Meinung vertreten, daß bei der Vollstreckung eines Urteils auf Räumung und Herausgabe eines Grundstücks, Gebäudes oder Gebäudeteiles nach Beendigung des Miet- oder Pachtverhältnisses für die Gebühr nach § 57 Abs. 1 BRAGO der Verkehrswert des zu räumenden und herauszugebenden Objektes zugrundezulegen sei (LG München JurBüro 1995, 482, bestätigt durch OLG München, Beschluß vom 24.03.1995 - 21 W 1088/95; AG Sinzig JurBüro 1995, 482; LG Köln DGVZ 1995, 153; a.A. AG Koblenz JurBüro 1995, 483, Mümmler JurBüro 1995, 453). Nach dieser Auffassung führt die Änderung des § 57 Abs. 2 BRAGO durch das Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 in den o.g. Fällen zu einer Erhöhung des Gegenstandswertes, der im Bereich des 20-fachen des bisherigen Wertes liegt, und zu einer entsprechenden Erhöhung der Gebühren nach § 57 Abs. 1 BRAGO.
Die Kammer schließt sich dieser Auffassung jedoch nicht an, sondern hält eine analoge Anwendung des § 16 Abs. 2 GKG für geboten. Der Gesetzgeber hat in § 16 GKG mit der Bemessung des Streitwertes auf den für die Dauer eines Jahres zu entrichtenden Zins eine Begrenzung der Gebühren nach oben in einem typischerweise sozial empfindlichen Bereich bezweckt. Dies gilt unmittelbar für die Gerichtsgebühren und mittelbar über § 8 BRAGO auch für die Rechtsanwaltsgebühren. Damit wird auch dem Rechtsanwalt im Bereich der Mietstreitigkeiten bei der Gebührenbemessung eine Rücksichtnahme auf die sozialen Belange der Parteien zugemutet, was in anderem Zusammenhang in den §§ 12 Abs. 2 GKG und 12 Abs. 2 BRAGO durch die gesetzlich geforderte Berücksichtigung der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien bzw. des Auftraggebers ebenfalls deutlich zum Ausdruck kommt. Es ist jedoch kein Grund zu erkennen, warum das Prinzip einer maßvollen Gebührenbemessung in Miet- und Pachtsachen, das für das streitige Verfahren uneingeschränkt gilt, in der Zwangsvollstreckung nicht zur Anwendung kommen sollte.
Einer analogen Anwendung des § 16 GKG im Rahmen des § 57 BRAGO steht kein gesetzgeberischer Wille entgegen, der ggfs. zu respektieren wäre. Die Änderung des § 57 Abs. 2 BRAGO durch das Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 war aus rechtstechnischen Gründen veranlaßt, weil die Gerichtsgebühren in Angelegenheiten der Zwangsvollstreckung in streitwertunabhängige Festgebühren umgewandelt worden waren. Hierbei war der Gesetzgeber ersichtlich bemüht, die bisher geltenden Grundsätze der Bemessung des Gegenstandswertes in § 57 Abs. 2 unverändert zu übernehmen. Die Absicht einer Erhöhung der Gebühren des § 57 Abs. 1 insgesamt oder in Teilbereichen kommt in den Gesetzesmaterialien an keiner Stelle zum Ausdruck. Daß bei der Gesetzesänderung gesetzestechnisch die Verbindung zu § 16 GKG gerissen ist, beruht offensichtlich auf einem Redaktionsversehen, das im Wege der Analogie zu korrigieren ist.
Die Beschwerde bleibt daher ohne Erfolg.
Da die hier entschiedene Rechtsfrage für eine Vielzahl von Fällen von Bedeutung ist und in der Rechtsprechung unterschiedlich behandelt wird, hat die Kammer gemäß § 10 Abs. 3 Satz 5 BRAGO die weitere Beschwerde zugelassen.
Fundstellen