Rz. 9

Das materielle Erbrecht ist im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch vom 1.6.1811 (ABGB)[11] enthalten, welches ursprünglich in Teilen aus Österreich rezipiert wurde; mit Fürstlicher Verordnung vom 18.2.1812 wurden Teile davon in Liechtenstein eingeführt. Die Übernahme der erbrechtlichen Normen erfolgte erst 1846. Mit der Erbrechtsreform[12] im Jahr 2012 hat der liechtensteinische Gesetzgeber jedoch partiell Neuland betreten und teilweise von der österreichischen Rezeptionsvorlage abweichende Regelungen normiert.[13] Diesbezüglich gilt zwar bislang der Grundsatz, wonach bei der Auslegung rezipierter Rechtsnormen auch die AT-Rechtsentwicklung zu berücksichtigen ist. Gleichwohl hat der liechtensteinische Gesetzgeber die zum 1.1.2017 in Kraft getretene (tiefgreifende) Erbrechtsreform Österreichs nicht übernommen, sodass Vorsicht bei der ungeprüften Übernahme österreichischer Literatur und Judikatur geboten ist.

 

Rz. 10

Im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge sind die Abkömmlinge Erben erster Ordnung (§ 732 ABGB); eheliche und nichteheliche Kinder erben zu gleichen Teilen. Die Eltern und ihre Abkömmlinge bilden die zweite Ordnung (§ 735 ABGB). Dabei gelten die Erbfolge nach Stämmen und das Repräsentationsprinzip. Zur dritten Ordnung gehören die Großeltern des Erblassers samt deren Nachkommen (§ 738 ABGB).

 

Rz. 11

Der Ehegatte wie auch der Partner aus einer eingetragenen Partnerschaft erhalten neben Erben der ersten Ordnung die Hälfte,[14] neben Erben der zweiten oder dritten Ordnung zwei Drittel des Nachlasses (§ 757 ABGB). Ein Sonderfall existiert, falls neben Großeltern Nachkommen verstorbener Großeltern vorhanden sind oder Erbteile, welche Nachkommen verstorbener Geschwister zufallen würden (§ 757 Abs. 1 S. 2 und 3 ABGB).

 

Rz. 12

Als Testamentsformen kennt das liechtensteinische Recht das holographe Testament (§ 578 ABGB), das gerichtliche Testament und das vor drei Testamentszeugen privatschriftlich allographe niedergelegte und eigenhändig unterschriebene Testament (§ 579 ABGB). Das mündliche Dreizeugentestament (§ 585 ABGB) ist (gleich wie in Österreich) durch Reformgesetz vom 20.6.2012[15] auch in Liechtenstein aufgehoben worden. Es besteht allein die Möglichkeit der Errichtung eines mündlichen (oder schriftlichen) Nottestaments (§ 597 ABGB) vor zwei Zeugen, welches drei Monate nach Errichtung seine Gültigkeit verliert. Das gemeinschaftliche Testament von Ehegatten, Brautleuten und eingetragenen Partnern stellt keine spezielle Form des Testaments dar, da es keine besondere Formerleichterung gibt. § 583a ABGB bestimmt, dass dieses jederzeit widerruflich ist und der Bestand der einen Verfügung von dem der anderen nicht abhängig ist, außer es wurde dies eigens vereinbart. Vereinzelt wird vertreten, dass auch formunwirksame (und damit nichtige) Schenkungsverträge in ein Vermächtnis umgedeutet werden können.

 

Rz. 13

Das Pflichtteilsrecht orientiert sich überwiegend an der österreichischen Rezeptionsvorlage. Kinder und Ehegatten/eingetragene Partner haben demnach Anspruch auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, Vorfahren (nur sofern keine Kinder existent sind) auf ein Drittel. Die Pflichtteilsquote des Ehegatten kann sich verdoppeln, sofern dieser maßgeblich zum Aufbau des Vermögens des Erblassers beigetragen hat und dieser Vermögenszuwachs den Großteil der Erbschaft ausmacht, § 765 Abs. 2 ABGB. Der Pflichtteilsanspruch ist im System des Geldpflichtteils verankert,[16] mithin auf die Zahlung eines Geldbetrages gerichtet und kann unter den in § 783a ABGB niedergelegten Voraussetzungen gestundet werden. § 773a ABGB gibt dem Erblasser die Möglichkeit, bei jederzeitigem Fehlen eines Naheverhältnisses den Pflichtteil um die Hälfte zu mindern. Daneben findet durch Art. 29 Abs. 5 IPRG eine Begrenzung des Anspruchs auf das "für den Erwerbsvorgang maßgebliche Recht" statt, sofern Vermögen tatsächlich und rechtlich an einen Dritten (z.B. Stiftung) übergegangen ist.

 

Rz. 14

Das Rechtsinstitut der Testamentsvollstreckung findet sich in § 816 ABGB lediglich "stiefmütterlich" geregelt. Der Aufgabenbereich des Testamentsvollstreckers kann lediglich die Überwachung des letzten Willens und/oder die Verwaltung des Nachlasses oder einzelner Nachlassgegenstände beinhalten. Dementsprechend kommt diesem Rechtsinstitut kaum praktische Bedeutung zu. Die Handlungen eines ausländischen Testamentsvollstreckers wirken gegenüber dem liechtensteinischen Handelsregister oder Gericht, sofern es sich um Registerbereinigungen oder um die Ausfolgung beweglichen Nachlasses handelt und die Grundsätze des ordre public hierbei nicht verletzt sind.[17]

 

Rz. 15

Ein Erbvertrag kann seit dem 1.9.2012 auch von Personen abgeschlossen werden, die nicht Ehegatten sind. Der Abschluss kann vor einem Gericht in schriftlicher oder mündlicher Form erfolgen. Es genügt aber auch die für ein Testament verlangte außergerichtliche Form, § 602 Abs. 3 ABGB. Unter denselben Voraussetzungen ist auch ein Vermächtnisvertrag möglich.

Wegen der gemeinsamen historischen Wurzeln wird erg...

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