Sachverhalt
Bei dem britischen Verfahren ging es um Lieferungen, die vor dem 1.1.1978 bewirkt wurden, und daraus resultierende Ansprüche auf Rückerstattung von als MwSt entrichteten Zahlungen. Streitig war, ob der Kläger entweder nach der 2. EG-Richtlinie (Zweite Richtlinie 67/228/EWG des Rates v. 11.4.1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Struktur und Anwendungsmodalitäten des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems (ABl. EG 1967 Nr. 71, 1303) oder den Grundsätzen der Neutralität und der Gleichbehandlung einen unmittelbaren Rechtsanspruch auf eine Minderung der Besteuerungsgrundlage für die getätigten Lieferungen hat. Der Kläger vertrieb Waren über den Versandhandel und bediente sich dabei sog. "Vertreter". Typischerweise unterhielt ein Vertreter ein Konto für Warenkäufe und hatte eine begrenzte Zahl von dritten Personen als "Unterkunden", an die er die Kataloge des Klägers weitergab. Der Vertreter gab die Bestellungen der Unterkunden telefonisch beim Kläger ab. Soweit nicht eine andere Lieferanschrift angegeben wurde, wurden die bestellten Waren an den Vertreter zum weiteren Vertrieb an die Unterkunden geliefert. Zahlungen für die Waren (üblicherweise in Raten) wurden durch den Vertreter von den Unterkunden eingezogen und regelmäßig an den Kläger.
Die Vertreter erhielten Provisionen (oder Gutschriften) sowohl für ihre eigenen Warenkäufe aus dem Versandhandelskatalog (Eigenkäufe) als auch für Käufe aus dem Katalog durch Dritte über den Vertreter. Streitgegenstand waren nur Provisionen für Käufe durch Dritte (Drittkundenkäufe). Die Vertreter erhielten eine Provision von 10 % des vom Vertreter an den Kläger aus Eigen- und Drittkundenkäufen überwiesenen Betrags. Die Provision wurde einem in der Buchhaltung der Klägerin geführten Konto gutgeschrieben, und der Vertreter konnte die Provision als Scheckzahlung (in bar) abrufen oder die Gutschrift mit seinem Kontostand für Eigenkäufe verrechnen.
Die Klägerin hatte die Rückerstattung der auf die Lieferungen gezahlten MwSt geltend gemacht, soweit sie Barprovisionen an die Vertreter gezahlt hatte. Anders als die britische MwSt-Behörde es sehe, stellten die für Drittkundenkäufe gezahlten Provisionen keinen Gegenwert für die Dienstleistung des Vertreters dar, sondern verminderten die Besteuerungsgrundlage der den Drittkundenkäufen entsprechenden Lieferungen. Die Ansprüche des Klägers betrafen Zeiträume von April 1973 (als die Mehrwertsteuer im Vereinigten Königreich erstmals eingeführt wurde) bis Dezember 1996. Die britische MwSt-Behörde hatte bereits die meisten von der Klägerin zurückgeforderten Beträge zurückerstattet. Die Rückerstattung im vorliegenden Verfahren war nur insoweit streitig, als es um von Vertretern in bar erhaltene Provisionen für Drittkundenkäufe im Zeitraum von 1973 bis zum 1.1.1978 ging.
Nach Ansicht des Klägers waren die in bar abgerufenen Provisionen für Drittkundenkäufe nichts anderes als ein Nachlass auf den vom Vertreter gezahlten Preis für die Ware, die er vom Kläger kaufte (soweit zum Zeitpunkt der Lieferung erhalten), bzw. eine Rückvergütung (soweit nach Lieferung der Ware an den Vertreter erhalten). Damit vermindere sich die Besteuerungsgrundlage der Lieferung. Für den Zeitraum vor 1978 folge dies nicht nur aus Art. 8 Buchst. a und Nr. 13 des Anhangs A der 2. EG-Richtlinie, sondern auch aus dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität. Die britische MwSt-Behörde meinte, die 2. EG-Richtlinie habe einen gemeinschaftsrechtlichen, für die Besteuerungsgrundlage relevanten Begriff des "Gegenwerts" eingeführt. Anders als die 6. EG-Richtlinie hätten die 1. und die 2. EG-Richtlinie die Mitgliedstaaten jedoch nicht dazu verpflichtet, Regelungen zu treffen, die eine rückwirkende Verminderung der Besteuerungsgrundlage nach Bewirken einer Lieferung vorsehen. Art. 8 Buchst. a der 2. EG-Richtlinie sei eine gegenüber späteren Bestimmungen zur Besteuerungsgrundlage weniger differenziert ausgestaltete Regelung. Die 2. EG-Richtlinie enthalte keine Art. 11 Teil C Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie entsprechende Bestimmung. Erst danach seien die Mitgliedstaaten verpflichtet gewesen, Regelungen zu schaffen, die eine rückwirkende Verminderung der Besteuerungsgrundlage zu einem Zeitpunkt nach erfolgter Lieferung gestatten.
Entscheidung
Der EuGH in Auslegung der 2. EG-Richtlinie entschieden, dass nach Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie die Steuerschuld eines Steuerpflichtigen in der Höhe entstanden ist, die sich aus der zum Zeitpunkt der Lieferung festgestellten Besteuerungsgrundlage ergibt. Weder Art. 8 Buchst. a noch ein anderer Artikel der 2. EG-Richtlinie kann dahin ausgelegt werden, dass eine Berichtigung der Besteuerungsgrundlage oder der entrichteten Steuer nach der Lieferung, die den Zeitpunkt der Verwirklichung des Steuertatbestands darstellt, zuzulassen war. Dieses Ergebnis lässt sich nach den weiteren Entscheidungsgründen auch nicht durch den Neutralitätsgrundsatz korrigieren. Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität ist ...