Leitsatz
Bei Rückübertragung einer 1958 enteigneten Gesellschaft stellen die damaligen Kapitalkonten der Schlussbilanz keinen geeigneten Maßstab für die Verteilung des Liquidationsvermögens dar.
Sachverhalt
Die Brüder M. und W. gründeten 1919 eine OHG. Einen schriflichen Vertrag gab es nie. 1945 wurde das gesamte bewegliche Gesellschaftsvermögen von der sowjetischen Besatzungsmacht in die Sowjetunion verbracht und M. zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Nach seiner Entlassung 1950 war es ihm aus gesundheitlichen Gründen nur noch möglich in der Versandabteilung zu arbeiten. Seit Beginn seiner Haft hatte ihn W. nicht mehr am Gesellschaftsgewinn beteiligt. 1958 wurde W. wegen angeblicher Wirtschaftsverbrechen zu einer mehrjährigen Zuchthausstrafe verurteilt und der Betrieb in einen "Volkseigenen Betrieb" eingegliedert. Zu diesem Zweck wurde nach den Kapitalkonten eine Schlussbilanz erstellt.
1990 wandelte sich der Betireb in eine GmbH um unter Geschäftsführung der Treuhandanstalt, die 1993 ein der alten OHG gehörendes Grundstück veräußerte. Nachdem im gleichen Jahr die Restitution der alten OHG geschlossen wurde, streiten die Parteien nun über die Vermögensaufteilung. Der Kläger - Erbe nach W. - klagt auf Zustimmung zur Ersetzung eines Gesellschafterbeschlusses, der besagt, dass 92,4 % des Gesellschaftsvermögens auf Grundlage der Schlussbilanz von 1958 auf die Erben nach W. entfallen, oder dies hilfsweise festzustellen.
Entscheidung
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Da kein krasser Fall des Rechtsmissbraus vorliegt, ist der Zustimmungsantrag zulässig. Dass die Verteilungsquote offensichtlich nicht zutreffend ist, lässt das Rechtschutzbedürfnis nicht entfallen.
Einen Gesellschafterbeschluss zur Liquidation kann der Kläger jedoch nicht erzwingen, da ein solcher zwar nach § 155 Abs. 1 HGB möglich, aber nicht zwingend erforderlich ist. Eine Liquidation auf Grundlage der Kapitalkonten von 1958 ist im Übrigen nicht möglich. Zunächst ist deren Richtigkeit zweifelhaft, da allein auf von W. gefertigten Bilanzen beruhend. Zudem ist dies keine umfassende Wiedergabe des gesamten OHG-Vemögens; stille Reserven und sonst nicht billanzierte Werte sind nicht erfasst.
Deshalb hat auch hier im Zweifel die Rückübertragung des Vermögens im Zweifel hälftig nach den Gesellschafterstämmen zu erfolgen. Erst nach der Rückbuchung auf die Kapitalkonten stehen dann die für die Verteilung maßgeblichen Kapitalanteile fest. Dieses Verfahren entspricht dem bei Aufdeckung stiller Reserven. Auch § 10 und § 17 UnternehmensrückgabeVO sind nicht einschlägig.
Vorliegend ist die Feststellungsklage die einschlägige Prozessart zur Klärung von Streitigkeiten bei der Vermögensliquidation einer Gesellschaft. Jedoch ist der vom Kläger gestellte Feststellungsantrag wie oben ausgeführt unbegründet. Auch eine Verteilung nach der einschlägigen gesetzlichen Berechnungsweise war nicht auszusprechen, da dies bereits mehrfach von den Beklagten angeboten wurde, und daher kein Rechtschutzbedürfnis besteht.
Link zur Entscheidung
Thüringer OLG, Urteil vom 21.02.2007, 6 U 384/06