Entscheidungsstichwort (Thema)
Restitution. Unternehmensrückübertragung. Liquidation. Kapitalkonto
Leitsatz (amtlich)
Kapitalkonten einer Schlussbilanz, die im Jahr 1958 für eine OHG erstellt wurde, weil das Unternehmen der OHG nach Enteignung in einen "Volkseigenen Betrieb" (VEB) eingegliedert wurde, stellen keinen Maßstab für die Verteilung von Restvermögen auf die Erben der OHG-Gesellschafter dar, nachdem das Unternehmen der OHG auf diese Erben rückübertragen worden ist.
Normenkette
HGB § 155 Abs. 1; UnternehmensrückgabeVO §§ 10, 17
Verfahrensgang
LG Gera (Urteil vom 27.03.2006; Aktenzeichen 3 HKO 143/03) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG G. vom 27.3.2006 - Az. 3 HKO 143/03 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage nicht als unzulässig, sondern als unbegründet abgewiesen wird.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien als Erben der ursprünglichen Gesellschafter streiten um ihren Anteil am Gesellschaftsvermögen einer restituierten OHG.
Die Brüder M. und W. S. betrieben seit 1919 bis zum Kriegsende in G. die J.-OHG. Ein schriftlicher Gesellschaftsvertrag wurde zu keinem Zeitpunkt geschlossen.
Nach Einzug der sowjetischen Besatzungsmacht in G. im Oktober 1945 wurde der gesamte Maschinenpark sowie das sonstige Inventar vollständig demontiert und in die damalige Sowjetunion transportiert.
Die Firma J.-OHG existierte unter der alleinigen Geschäftsführung von W. S. fort, weil der Mitgesellschafter M. S. von der sowjetischen Militäradministration zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden war, die er bis 1950 verbüsste. Nach seiner Haftzeit und der Rückkehr nach G. war M. S. wegen in der Haft erlittener Erkrankung, u.a. chronische TBC, daran gehindert, in seine frühere Geschäftsführerposition einzurücken. Bis 1958 entwickelte sich die Firma unter der Geschäftsführung von W. S. erfolgreich.
Zwischen den Brüdern entstand im Verlauf der fünfziger Jahre Streit über die Verteilung des Gewinns der Gesellschaft, da W. S. M. S. während dessen Haft und in den Jahren danach nicht mehr am Gewinn beteiligt hatte. Auch wurde M. S., nachdem er einigermaßen genesen war, seit Mitte der fünfziger Jahre als Arbeiter in der Versandabteilung beschäftigt.
Mit Urteil vom 4.5.1958 verurteilte das Kreisgericht G.-Stadt W. S. wegen angeblicher Wirtschaftsverbrechen zu einer mehrjährigen Zuchthausstrafe. In dem Urteil wurde zugleich die Einziehung der Werkzeug- und Maschinenfabrik J.-OHG ausgesprochen. Im Jahr 1991 hat das Bezirksgericht Meiningen dieses Urteil im Rehabilitationsverfahren aufgehoben und W. S. vollständig rehabilitiert.
Ab Januar 1959 wurde die enteignete Firma J.-OHG in den VEB W. U. G. eingegliedert.
Der VEB (K) Büro für Steuer- und Wirtschaftsberatung G. stellte unter dem 1.10.1958 anlässlich der Übernahme der J.-OHG in Treuhandverwaltung einen Bericht zum Abschluss am 31.5.1958 auf. Wegen des Inhalts wird auf die zur Akte gereichte Kopie (Anlage B 3-6/3, Blatt 233 bis 241 der Akte) verwiesen. Er erstellte außerdem einen Bericht zum Jahresabschluss (Anlage K 10, Bl. 41-59 d.A.), auf dessen Inhalt verwiesen wird. Die Kapitalkonten der Gesellschafter zum 31.8.1958 wurden darin für W. S. mit 100.091,68 Ost-Mark (92,4 %), sowie für M. S. mit 8.190.76 Ost-Mark (7,6 %) ausgewiesen.
Der VEB W. U. G. wandelte sich nach der Wende im Juli 1990 in die U. W. G. GmbH um, deren alleinige Gesellschafterin zunächst die Treuhandanstalt war.
Im Juli bzw. September 1990 beantragten die damaligen Erben der ehemaligen OHG-Gesellschafter M. und W. S., die Rückübertragung des Unternehmens. Während der Bearbeitung der angemeldeten Rückübertragungsansprüche durch das Thüringer Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen veräußerte die W. U. G. aufgrund eines Investitionsvorrangbescheids mit notariellem Vertrag vom 6.7.1993 u.a. ein vormals der J.-OHG gehörendes Grundstück (Flurstück 1019) zu einem anteiligen Verkaufserlös von 1.930.200 DM. Mit Bescheid vom 5.11.1993 stellte das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen die Restitutionsberechtigung der Firma J.-OHG i.L. fest. Mit weiterem Bescheid vom 19.10.1994 wurden der J.-OHG i.L. deren ehemalige Unternehmensgrundstücke, Flurstück 1019 und 1011, rückübertragen. Mit Bescheid vom 27.11.1997 stellte das Landesamt für offene Vermögensfragen fest, dass der J.-OHG i.L. aufgrund der inzwischen erfolgten Veräußerung des Flurstücks 1019 anstatt der Rückübertragung ein Anspruch auf Auskehr des erzielten Erlöses von 1.930.200 DM zustehe. Sämtliche Bescheide sind bestandskräftig.
Der Veräußerungserlös für das Flurstück 1019 wurde zu Händen des auf Antrag des Klägers durch das AG G. bestellten Liquidators am 12.2.2001 ausgezah...