Jolanta Zupkauskaité, Yvonne Goldammer
Rz. 50
Das Scheidungsverfahren in Litauen hat einige Besonderheiten gegenüber dem gewöhnlichen zivilrechtlichen Verfahren und ist im Abschnitt XIX der ZPO – Besonderheiten der Verhandlung der Familiensachen – geregelt. Zu den Besonderheiten zählen:
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die aktive Rolle des Gerichts (Untersuchungsgrundsatz; das Gericht kann auf eigene Initiative Beweise erheben; Maßnahmen ergreifen, um die Parteien zu versöhnen und um die Interessen und Rechte der Kinder zu schützen; das Gericht ist an den Antrag nicht gebunden); |
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das Verbot des Erlasses eines Versäumnisurteils; |
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auf Antrag eines Beteiligten kann beschränkte Öffentlichkeit bei der Verhandlung angeordnet werden; |
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die Beteiligung des Kindes im Verfahren, wenn es über einzelne Punkte Auskunft geben kann und die Befragung für die Entscheidung erheblich ist. |
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Seit dem 1.1.2020 schreibt das Mediationsgesetz den Parteien einer Scheidung eine Pflichtmediation als Vorverfahren für ein gerichtliches Scheidungsverfahren vor. Ziel dieser Mediation soll eine außergerichtliche Einigung der Parteien sein, um dadurch die bestehenden Beziehungen zwischen den Parteien zu erhalten sowie finanzielle Mittel und Zeit zu sparen. |
Rz. 51
Die Scheidungsklage ist beim örtlich zuständigen Amtsgericht (apylinkės teismas) zu erheben, bei dem der Beklagte seinen Wohnsitz hat. Leben minderjährige Kinder im Haushalt des Klägers, so kann er die Klage beim örtlich zuständigen Amtsgericht an deren Wohnsitz erheben (Art. 381 Abs. 1 ZPO).
Rz. 52
Es besteht grundsätzlich kein Anwaltszwang für das Scheidungsverfahren. Im Berufungsverfahren sowie in der obersten Instanz (kasacija) gilt jedoch die allgemeine Regelung, dass die Rechtsmittel von einem Anwalt oder vom Rechtsmittelkläger, wenn er selber einen Universitätsabschluss in Rechtswissenschaften hat, eingelegt werden müssen (Art. 306 Abs. 3, Art. 347 Abs. 3 ZGB). Die Dauer der Scheidungsverfahren ist unterschiedlich und kann von 2 bis 3 Monaten bis zu über einem Jahr betragen. Die Dauer hängt hauptsächlich von den Interessen der Parteien ab.
Rz. 53
Beim Antrag auf Scheidung im beiderseitigen Einverständnis der Ehepartner (gem. Art. 3.51 ZGB) oder beim Antrag eines Ehegatten (gem. Art. 3.55 ZGB) gilt das vereinfachte Verfahren. Die Klage muss u.a. folgende Angaben enthalten:
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Geburtsdatum und -ort des Klägers sowie des Beklagten; |
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die Motive der Klageerhebung; |
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Angaben über Kinder und den gewünschten Wohnsitz und Unterhalt oder die Vereinbarung beider Elternteile über Wohnsitz und Unterhalt der Kinder; |
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Angaben über das Gemeinschaftsvermögen und die Geltendmachung der Teilung desselben; soweit ein notariell beglaubigter Vertrag über die Teilung des Gemeinschaftsvermögens abgeschlossen worden ist, ist dies anzugeben; |
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Anspruch auf nachehelichen Unterhalt oder die Vereinbarung über denselben; |
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Angaben über Gläubiger der Ehegatten oder jedes einzelnen Ehegatten und den Hinweis über die Bekanntmachung gegenüber den Gläubigern. |
Abschließend bedarf es noch der Angabe des nachehelichen Familiennamens der Ehegatten. Den Angaben sind jeweils die notwendigen Unterlagen beizufügen, vor allem das Original der Heiratsurkunde, Kopien der Geburtsurkunden von Kindern, Nachweis über das Einkommen der Ehegatten, außer der Kläger besitzt keine Möglichkeit, diese Nachweise zu erbringen.
Rz. 54
Die Gerichtskosten bestehen aus einer Gerichtsgebühr und sonstigen Kosten (Post- und Telekommunikationskosten, Übersetzungskosten, Anwaltskosten etc.). Die Gerichtsgebühr in Familiensachen beträgt 100 EUR, vgl. Art. 80 Teil 1 Punkt 6 ZPO, falls keine Forderungen über Teilung des Gemeinschaftsvermögens geltend gemacht werden. Im vereinfachten Verfahren müssen die Parteien keine Gerichtsgebühr zahlen (Art. 83 Teil 1 Punkt 12 ZPO).