Leitsatz (amtlich)
Die Voraussetzungen für eine Konsensualscheidung nach Art. 292 Abs. 1 ZPO der Schweiz liegen nach der Rechtsprechung des Schweizerischen Bundesgerichts auch dann vor, wenn das Einverständnis mit der Scheidung zwar im Scheidungsverfahren selbst formell verweigert wird, das (materielle) Einverständnis mit der Scheidung sich aber daraus ergibt, dass der beklagte Ehegatte an einem anderen - auch ausländischen - Gerichtsstand die Scheidung begehrt (Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts vom 3.10.2013 - BGE 139 III 482). Der Beachtung dieser vom Schweizerischen Bundesgericht praktizierten Auslegung durch ein deutsches Gericht bei der Anwendung materiellen schweizerischen Rechts steht die Tatsache, dass der Übergang von der streitigen Scheidung zur Konsensualscheidung seit Abschaffung des früheren 116 ZGB der Schweiz und Einführung des § 292 ZPO der Schweiz nicht mehr materiellrechtlich, sondern verfahrensrechtlich geregelt ist, nicht entgegen. Entscheidend ist allein, ob bei gleicher Ausgangslage ein Schweizerisches Gericht die Scheidung aussprechen würde oder nicht.
Verfahrensgang
AG Berlin-Schöneberg (Beschluss vom 10.07.2014; Aktenzeichen 21 F 118/13) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird die Sache unter Aufhebung des Beschlusses des AG Schöneberg - Familiengericht - vom 10.7.2014 - 21 F 118/13 - zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverwiesen.
Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 72.852,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten, beide deutsche Staatsangehörige, haben am 25.9.1998 vor dem Standesamt ...die Ehe miteinander geschlossen. Beide Eheleute leben in der Schweiz. Sie haben zwei Kinder, D.St..., geboren am ...2001, und M.St..., geboren am ...2007. Mit am 4.12.2013 beim AG Schöneberg per Fax eingegangenem Schriftsatz begehrt der Antragsteller die Scheidung der Ehe mit den Behauptungen, die Ehe sei gescheitert und die Beteiligten lebten seit dem 4.12.2011 dauerhaft von einander getrennt. Gleichzeitig begehrt er Feststellung, dass der Antragsgegnerin keine nachehelichen Unterhaltsansprüche zustünden. Beide Anträge sind der Antragsgegnerin unter dem 4.2.2014 in der Schweiz zugestellt worden.
Mit am 4.3.2014 beim Kantonsgericht S.in der Schweiz eingegangenem Scheidungsantrag begehrt die Antragsgegnerin in der Schweiz ihrerseits die Scheidung der Ehe. Den vor dem AG Schöneberg rechtshängig gemachten Scheidungs- und Folgesachenanträgen ist sie entgegen getreten mit dem Antrag, diese als unstatthaft zurückzuweisen. Die Voraussetzungen für eine Scheidung nach Art. 114 ZGB (Schweizerisches Zivilgesetzbuch) lägen nicht vor. Tatsächlich hätten sie sich nämlich nicht - wie vom Ehemann angegeben - bereits am 4.12.2013, sondern erst am darauffolgenden Tag getrennt, so dass die zweijährige Trennungszeit des Art. 114 ZGB im Zeitpunkt der Einreichung des Scheidungsantrags als zwingende Voraussetzung für den Ausspruch einer Scheidung auf Klage eines Ehegatten nicht abgelaufen gewesen sei. Hilfsweise hat die Antragsgegnerin vor dem AG beantragt, den Antrag des Antragstellers auf Feststellung, dass ihr keine nachehelichen Unterhaltsansprüche zustünden, zurückzuweisen und den Antragsteller zu verpflichten, ab Rechtskraft der Scheidung an sie Kindesunterhalt in Höhe von jeweils CHF 1.800,00 monatlich pro Kind und Nachehelichenunterhalt in Höhe von CHF 9.000,00 monatlich bis September 2019 einschließlich sowie ab Oktober 2016 bis September 2025 einschließlich in Höhe von CHF 7.500,00 monatlich zu zahlen. Der Antragsteller hat beantragt, sämtliche Anträge der Antragsgegnerin zurückzuweisen.
Das AG hat durch Beschluss vom 10.7.2014 die Scheidungs- und Folgesachenanträge des Antragstellers zurückgewiesen. Zu Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen für einen Ausspruch der Scheidung nach Art. 114 ZGB lägen nicht vor. Als Trennungszeitpunkt sei entsprechend dem Vortrag der Antragsgegnerin der 5.12.2011 zugrunde zu legen, was in der Entscheidung näher ausgeführt wird. Dementsprechend lägen die Voraussetzungen für eine Scheidung auf Klage eines Ehegatten nach Art. 114 ZGB nicht vor. Trotz des von der Antragsgegnerin in der Schweiz anhängig gemachten Scheidungsverfahrens und des damit zum Ausdruck gebrachten Willens, die Scheidung durchzuführen, scheide auch eine Konsensualscheidung nach schweizerischem Recht aus. Das schweizerische Recht sehe in seinem am 1.1.2011 in Kraft getretenen Art. 292 ZPO in einem solchen Fall zwar den Wechsel zur Scheidung auf gemeinsames Begehren vor, bei dieser Vorschrift handele es sich aber nicht um eine materiellrechtliche, sondern eine verfahrensrechtliche Vorschrift. Verfahrensrechtliche Vorschriften hätten wegen des Grundsatzes der lex fori, wonach das Gericht grundsätzlich immer nur eigenes Verfahrensrecht anwende, außer Betracht zu bleiben. Zudem könne es auch nach der von dem Antragsteller zitierten Rechtsprechung des Schweizer Bundesgerichts (BGE 139 I...