Verfahrensgang
AG Rheda-Wiedenbrück (Aktenzeichen 15 F 98/21) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Rheda-Wiedenbrück vom 16.11.2021 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen dem Antragsteller zur Last.
Der Verfahrenswert für die Beschwerdeinstanz wird auf bis 600.000,00 EUR festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Beteiligten, beide deutsche Staatsangehörige, schlossen am 28.12.19... in O. die Ehe. Aus der Ehe gingen die beiden Söhne B., geb. am 14.03.19..., und J., geb. am 07.06.19..., hervor.
Mehrere Jahre nach der Eheschließung unterzeichneten die Beteiligten am 19.12.2011 vor dem "(...)" P. in O. zur Urkundenrollen-Nummer 2.../2011 einen notariellen Ehevertrag, in dessen Präambel es u.a. heißt:
"... Da wir beide deutsche Staatsangehörige sind, unterliegen unsere Ehe und die Ehefolgen deutschem Recht. Rein vorsorglich vereinbaren wir für unsere Ehe und die Ehefolgen die Geltung des deutschen Rechts ...".
Der Ehevertrag enthält diverse Regelungen betreffend Zugewinnausgleich, Versorgungausgleich und Unterhalt für den Fall der Scheidung. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Ablichtung des notariellen Vertrages (Bl. 9 ff. der Akten) verwiesen.
Während der Ehe lebten die Beteiligten - abgesehen von mehreren Auslandsausenthalten u.a. in Singapur und Hongkong - in der Schweiz. Ihre Trennung erfolgte zum 03.10.2018 oder 01.03.2019.
Die Antragsgegnerin hält sich nach wie vor in der Schweiz auf; der Antragsteller kehrte zum 01.05.2019 nach Deutschland zurück und lebt seither in U. (Kreis D.).
Ein von der Antragsgegnerin am 25.05.2020 vor dem Kantonsgericht in Zug eingeleitetes Eheschutzverfahren u.a. auf Trennungsunterhalt wurde mit Entscheid vom 25.11.2020 abgeschlossen.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 02.06.2020 hat sich der Antragsteller in erster Instanz an das Amtsgericht Rheda-Wiedenbrück gewandt. Dieser Scheidungsantrag ist der Antragsgegnerin im Wege der Auslandzustellung durch die Zuger Polizei am Dienstag, den 01.09.2020 zugestellt worden.
Nach Auffassung des Antragstellers unterliegen die Ehescheidung und die Folgesachen deutschem Sachrecht. Die Wirksamkeit des notariellen Ehevertrages vom 19.12.2011 steht für ihn außer Frage.
Der Antragsteller hat erstinstanzlich beantragt,
die Ehe der Beteiligten zu scheiden und zugleich festzustellen,
dass die Beteiligten nach dem von ihnen am 19.12.2011 geschlossenen Ehevertrag wirksam und abschließend den Versorgungsausgleich und den Güterausgleich unter sich geregelt haben und jeder von ihnen auf nachehelichen Unterhalt verzichtet hat.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag zurück zu weisen,
hilfsweise das Verfahren auszusetzen.
Sie hatte am Samstag, den 29.08.2020, nur wenige Tage vor Zustellung des Ehescheidungsantrags des Antragstellers am 01.09.2020, beim Kantonsgericht Zug unter dem Az. A1 2020 62 ihrerseits Scheidungsklage eingereicht und diese auf Art. 114 ZGB (2-jährige Trennung), eventualiter auf Art. 115 ZGB (Unzumutbarkeit der Fortführung der Ehe) gestützt. Weiterhin hatte sie beantragt, eine güterrechtliche Auseinandersetzung vorzunehmen, die während der Dauer der Ehe angesparten Austrittsleistungen gemäß Art. 122 ff ZGB zu teilen und den Antragsteller, d.h. den "Beklagten" des Schweizer Verfahrens, zu verpflichten, ab Rechtskraft des Scheidungsurteils angemessene Unterhaltsbeträge an sie zu zahlen. Hinsichtlich der Ehescheidung und der Nebenfolgen beruft sie sich auf die Geltung Schweizer Sachrechts.
Vor dem Hintergrund der eigenen Scheidungsklage hat die Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren vor dem Amtsgericht Rheda-Wiedenbrück den Einwand einer anderweitigen Rechtshängigkeit nach §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO erhoben.
Der Antragsteller ist diesem Einwand entgegengetreten.
Die seitens der Antragsgegnerin betriebene eigene Scheidungsklage unmittelbar vor Zustellung seines eigenen Scheidungsantrags sei treuewidrig. Die Antragsgegnerin wolle durch das Verfahren in der Schweiz ausschließlich die im Ehevertrag vom 19.12.2011 enthaltenen Scheidungsfolgenvereinbarungen unterlaufen. Dies sei nicht zu tolerieren, sondern beinhalte eine unzumutbare Benachteiligung des Antragstellers, welche nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH Beschluss vom 12. Februar 1992 - XII ZR 25/91 - FamRZ 1992, 1058 juris Rn. 13) zur Unbeachtlichkeit der ausländischen Rechtshängigkeit führe.
Im Übrigen bestehe keine doppelte Rechtshängigkeit. Hierzu sei neben einer Identität der Beteiligten auch eine Identität des Verfahrensgegenstandes erforderlich. Hieran fehle es, da die auf Art. 114, 115 ZGB gestützte Scheidungsklage der Antragsgegnerin nicht mit dem Scheidungsbegehren des Antragstellers nach §§ 1565 Abs. 1, 1566 Abs. 1 BGB identisch sei. Von einer Verfahrensidentität könne allenfalls seit dem im Schweizer Verfahren erfolgten Wechsel von der Scheidungsklage auf eine Scheidung auf gemeinsames Begehren im Sinne von Art. 292 ZPO (CH) gesprochen werden. ...