Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Ruhen des Leistungsanspruchs. Berechnung des Beitragsrückstands. Gesamtbetrag in Höhe von zwei vollen Monatsbeiträgen
Leitsatz (amtlich)
1. Für das Ruhen des Anspruchs nach § 16 Abs 3a SGB V ist maßgeblich, dass die Beitragsanteile insgesamt, auch für mehrere und länger zurückliegende Zeiträume, die Grenze von zwei vollen Monatsbeiträgen erreichen.
2. Das Ruhen ist an einen Gesamtbetrag (zwei volle Monatsbeiträge) und nicht lediglich an ein Zeitmoment (zwei Monate) geknüpft.
3. Dabei kommt es für die Berechnung des Rückstands iS des § 16 Abs 3a S 3 SGB V auf die abstrakte Höhe der (vollen) Monatsbeiträge an und nicht darauf, dass die tatsächlichen Umstände (wie hier durch Versicherungsbeginn am Zweiten eines Monats und Beendigung der Anschlussversicherung durch Wiederaufnahme einer versicherungspflichtigen Tätigkeit im Laufe des zweiten Monats) dazu führen, dass der Versicherte für die jeweiligen Monate nicht den vollen Beitrag schuldete.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 23. Juli 2024 abgeändert und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 2. Juli 2024 angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin in beiden Instanzen.
Gründe
1. Die gemäß § 173 Satz 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, insbesondere nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 144 SGG ausgeschlossen. Denn die Antragstellerin wendet sich nicht gegen die mit Bescheid vom 14. Mai 2024 festgestellte Beitragsforderung in Höhe von insgesamt 385,43 €, sondern gegen das Ruhen des Leistungsanspruches in der gesetzlichen Krankenversicherung für unbestimmte Zeit (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG ).
2. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist das Begehren der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs vom 11. Juli 2024 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 2. Juli 2024, mit dem diese das Ruhen des Leistungsanspruches in der gesetzlichen Krankenversicherung wegen Beitragsrückständen für die Zeit vom 2. Dezember 2023 bis zum 21. Januar 2024 in Höhe von insgesamt 385,43 € (Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, davon 307,17 € Krankenversicherungsbeiträge) ab dem 9. Juli 2024 feststellte. Hinsichtlich der Ablehnung des Prozesskostenhilfeantrags durch das Sozialgericht Freiburg (SG) wird auf das beim Senat anhängige Verfahren L 4 KR 2229/24 B Bezug genommen.
3. Die Beschwerde der Antragstellerin ist begründet. Das SG hat den Antrag auf die begehrte einstweilige Anordnung zu Unrecht abgelehnt.
a) Der einstweilige Rechtsschutz richtet sich im vorliegenden Fall nach§ 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG . Danach ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung statthaft, wenn Widerspruch oder Anfechtungsklage entgegen der Grundregel des § 86a Abs. 1 SGG nicht schon kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung haben. Die aufschiebende Wirkung entfällt u.a. gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG in den durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen. Hierzu zählen Ruhensbescheide gemäߧ 16 Abs. 3a Satz 3 und 1 , 2 Halbsatz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. § 16 Abs. 2 Satz 4 Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG). Der Widerspruch der Antragstellerin vom 11. Juli 2024 gegen den Bescheid vom 2. Juli 2024 entfaltet danach keine aufschiebende Wirkung.
b) Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht nimmt eine eigenständige Abwägung der Beteiligteninteressen vor. Es wägt das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug und das private Aufschubinteresse ab. Dabei sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen. Denn im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sollen keine Positionen eingeräumt werden, die im Hauptsacheverfahren erkennbar nicht standhalten. Bei offensichtlicher Rechtswidrigkeit des Bescheides ist die aufschiebende Wirkung anzuordnen, bei offensichtlicher Aussichtslosigkeit des Rechtsbehelfs die Anordnung hingegen abzulehnen. Bei der Anordnung der aufschiebenden Wirkung in den Fällen des§ 86a Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGG, in denen wie hier der Rechtsbehelf von Gesetz wegen keine aufschiebende Wirkung hat, ist diese Entscheidung des Gesetzgebers, den abstrakten öffentlichen Interessen den Vorrang einzuräumen, zu beachten. In analoger Anwendung des § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG sind Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs nur zu berücksichtigen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen, wenn also ein Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen (vgl. u.a. Beschlüsse des Senats vom 13. August 2020 - L 4 BA 949/20 ER-B -, 16. September 2019 - L 4 BA 373/19 ER-B -, vom 30. Januar 2015 - L 4 KR 2/15 ER-B - und vom 15. April 2014 - L 4 R 3716/13 ER-B - m.w.N. jeweils nicht ver...