Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Statthaftigkeit einer Anfechtungsklage. Verwaltungsakt. Bescheid über das Ruhen des Leistungsanspruchs nach § 16 Abs 3a S 2 SGB 5 ohne Regelung zur Beitragsfestsetzung bzw -erstattung. Informationen zur Höhe der Beitragsrückstände sind lediglich erläuternde Hinweise und Begründungselemente
Orientierungssatz
1. Ein Bescheid, mit dem das Ruhen des Leistungsanspruchs nach § 16 Abs 3a S 2 SGB 5 festgestellt wird und darüber hinaus keine Regelungen zur Festsetzung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie deren Erstattung beinhaltet, kann nicht Gegenstand einer Anfechtungsklage gem § 54 Abs 1 SGG sein. Voraussetzung für die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage ist, dass diese sich gegen einen Verwaltungsakt richtet (vgl zB LSG Stuttgart vom 20.7.2021 - L 11 BA 660/21 = juris RdNr 29).
2. Soweit ein solcher Bescheid Informationen zur Höhe der Beitragsrückstände enthält, handelt es sich hierbei lediglich um erläuternde Hinweise und Begründungselemente, die erforderlich sind, weil das Ruhen endet, wenn alle rückständigen und die auf die Zeit des Ruhens entfallenden Beitragsanteile gezahlt sind. Des Weiteren sind zur Begründung des verfügten Leistungsruhens die Tatbestandsvoraussetzungen darzulegen, insbesondere ein Beitragsrückstand in Höhe von Beitragsanteilen für zwei Monate sowie eine Nichtzahlung trotz Mahnung.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 21.04.2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I. Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten, mit dem das Ruhen des Leistungsanspruchs nach § 16 Abs 3a Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) ab 05.04.2017 festgestellt wurde.
Der 1940 geborene Kläger ist bei der beklagten Krankenkasse freiwillig krankenversichert. Er bezieht eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nebst Zuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung, Versorgungsbezüge sowie Kapitalerträge. Die Beklagte setzte jeweils die Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung fest. Mit Schreiben vom 07.12.2016 informierte die Beklagte den Kläger über Beitragsrückstände für die Zeit vom 01.11.2011 bis 30.11.2014 sowie Februar 2016 nebst Säumniszuschläge iHv insgesamt 26.708,33 €, forderte ihn zur Zahlung bis zum 24.12.2016 auf und wies darauf hin, dass bei nicht rechtzeitiger Zahlung - abgesehen von Ausnahmefällen - der Anspruch auf Leistungen ruhe.
Mit Bescheid vom 29.03.2017 stellte die Beklagte fest, dass ab 05.04.2017 der Krankenversicherungsschutz des Klägers ruht. Der Kläger habe nur in Ausnahmefällen Anspruch auf Leistungen und zwar für die Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände, bei Schwangerschaft und Mutterschutz. Weiter führte die Beklagte in diesem Schreiben aus:
„Wie geht es nun weiter? Bitte geben Sie Ihre Krankenversicherungskarte im nächsten AOK-Kundencenter ab. Sollte bei Ihnen einer der Ausnahmefälle eintreffen, erhalten Sie ebenfalls dort einen Berechtigungsschein. Damit können Sie dann zum Arzt gehen. Trotz des Ruhens sind weiterhin Beiträge fällig, sodass Ihr Rückstand mit der Zeit immer größer wird - auch die Säumniszuschläge summieren sich. Außerdem tritt Ihr Leistungsanspruch erst wieder in Kraft, wenn der gesamte Rückstand beglichen ist. Die Tabelle zeigt Ihnen, wie sich dieser zurzeit zusammensetzt; hierbei haben wir alle Zahlungen bis 29.03.2017 berücksichtigt.“ Die Beklagte bezifferte die Gesamtforderung auf 27.062,35 €.
Dagegen legte der Kläger am 28.04.2017 Widerspruch ein. Nachdem der Kläger die rückständigen Beiträge iHv 18.481,08 € ausgeglichen hatte, erließ die Beklagte entsprechend der Absprache mit dem Kläger die Säumniszuschläge (Aktennotiz vom 24.07.2017; Verfügung zur Absetzung von Forderungen bei Selbstzahlern). Mit Schreiben vom 27.07.2017 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass das Ruhen der Leistungen ende und vom 18.07.2017 der Kläger einen uneingeschränkten Anspruch auf Leistungen der Krankenversicherung habe. Die Beklagte ging davon aus, dass sich aufgrund der Vereinbarung zwischen Kläger und Beklagter die Angelegenheit erledigt habe (Schreiben vom 24.07.2017).
Mit Schreiben vom 21.03.2018 teilte der Kläger mit, dass für ihn die Angelegenheit „Beitragsdifferenz“ nicht abgeschlossen sei und die durch ihn unter Vollstreckungsdruck bezahlte Forderung von ca 18.000,00 € völlig aus der Luft gegriffen sei. Mit Schriftsatz vom 08.05.2018 schaltete sich der jetzige Bevollmächtigte des Klägers ein und erkundigte sich nach dem Sachstand des in der Vergangenheit eingeleiteten Widerspruchsverfahrens. Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 07.06.2018 mit, dass das Widerspruchsverfahren durch einen Vergleich mit dem Kläger abgeschlossen worden sei. Außer den monatlich laufenden Beiträgen bestünden keine Beitragsforderungen mehr. Der Kläger vertrat mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 16.08.2018 die Auffassung, dass durch den Vergleich ledig...