Entscheidungsstichwort (Thema)
Verzögerte Entscheidung auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe -Erfolgsaussicht
Orientierungssatz
1. Verzögert das Gericht grundlos die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, darf eine zwischenzeitlich zum Nachteil des Antragstellers eingetretene Änderung der Sach- oder Rechtslage aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht berücksichtigt werden. In einem solchen Fall ist deshalb der Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Antrags maßgebend.
2. Eine hinreichende Erfolgsaussicht liegt vor, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände zumindest die Möglichkeit besteht, dass der Kläger mit seinem Begehren durchdringt, im Falle streitiger Tatsachen, wenn die behaupteten anspruchsbegründenden Tatsachen nachweisbar erscheinen. Dies ist im sozialgerichtlichen Verfahren anzunehmen, wenn eine Beweisaufnahme von Amts wegen durchgeführt werden muss.
3. Im sozialgerichtlichen Verfahren kann aber trotz Durchführung von Ermittlungen, Prozesskostenhilfe zu verneinen sein. Dies gilt insbesondere für die Vernehmung von Ärzten als sachverständige Zeugen, wenn diese Sachaufklärung durch pauschalen klägerischen Vertrag veranlasst ist, wonach die Verwaltung nicht alle Gesundheitsstörungen berücksichtigt habe, also - ggf auf anderen medizinischen Sachgebieten - weitere Gesundheitsstörungen vorlägen, nicht richtig untersucht worden sei, falsche Befunde erhoben worden seien, die Beurteilung der Beklagten falsch sei, die Gesundheitsstörungen sich verschlimmert hätten oder weitere Gesundheitsstörungen hinzugetreten seien. In diesen Fällen kann das Gericht eine Erfolgsprognose erst stellen, wenn dieser klägerische Vortrag durch entsprechende medizinische Unterlagen gestützt wird.
Tatbestand
Der Kläger begehrt im Wege der Beschwerde die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
Im Hauptverfahren vor dem Sozialgericht geht es um die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Nach Einholung eines internistischen Gutachtens mit Befunderhebungen auch auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet und Verneinung eines belangvollen depressiven Verstimmungszustandes lehnte die Beklagte die begehrte Rente ab. In seiner Klagebegründung hat der Kläger neben der Behauptung, er leide an Depressionen, im Wesentlichen vorgetragen, die medizinischen Diagnosen seien unvollständig und unzureichend bewertet und auf ein Gutachten in einem bereits erledigten Unfallversicherungsstreit vor dem Sozialgericht hingewiesen. Nachdem bereits alle Unterlagen betreffend die Beurteilung der wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorgelegen haben, hat das Sozialgericht die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Die eingegangenen Auskünfte stützen das Klagebegehren nicht. Auf dieser Grundlage hat das Sozialgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch Beschluss vom 29. Juli 2005 mit der Begründung abgelehnt, im maßgebenden Zeitpunkt der Beschlussfassung habe die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Der hiergegen eingelegten Beschwerde hat es nicht abgeholfen. Der Kläger ist der Auffassung, maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Erfolgsaussichten sei im vorliegenden Fall jener der Entscheidungsreife. Das Ergebnis der Beweisaufnahme habe deshalb nicht berücksichtigt werden dürfen. Erfolgsaussicht sei schon deshalb zu bejahen, weil das Sozialgericht selbst die Aufklärung des Sachverhalts für erforderlich gehalten habe.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet. Dem Kläger kann Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, weil seine Klage keine Aussicht auf Erfolg hat.
Gemäß § 73a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Für die damit geforderte Erfolgsprognose ist zwar grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts - hier des Senats - abzustellen (vgl. nur Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe unter Beratungshilfe, 4. Aufl. 2005, Rdnr. 423 m.w.N.; Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl. 2005, § 119 Rdnr. 4 m.w.N.; Keller/Leitherer in Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl. 2005, Rdnr. 7c m.w.N.). Dies kann aber dann nicht gelten, wenn die Entscheidung durch das Gericht grundlos verzögert wird und sich zwischenzeitlich die Sach- oder Rechtslage zum Nachteil des Antragstellers geändert hat. In diesem Falle kommt es auf den Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Bewilligungsgesuches an (Knittel in Hennig, SGG, § 73a Rdnr. 15; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, Kapitel VI Rdnr. 71; Keller/Leitherer, a.a.O.; Thomas/Putzo, a.a.O.; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 16.12.2001, L 8 B 71/01 RA PKH ...