Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Berufungseinlegung. Unzulässigkeit einer gleichzeitig, nur hilfsweise eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde. keine fristwahrende Bedeutung für spätere, unbedingt eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde
Leitsatz (amtlich)
Die in Bezug auf die eingelegte Berufung hilfsweise und damit bedingte Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig und wirkt auch für die spätere, nach Ablauf der Beschwerdefrist unbedingt eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde nicht fristwahrend.
Orientierungssatz
Zu Leitsatz vgl BFH vom 27.3.2013 - I R 71/12 = BFH/NV 2013, 1108 und LSG Stuttgart vom 13.12.2011 - L 11 R 3679/11 = Breith 2012, 700.
Tenor
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 02.06.2016 wird verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der anwaltlich vertretene Kläger begehrt im Wege der Untätigkeitsklage die Bescheidung des von ihm gestellten Antrages auf Verzinsung einer durch Bescheid vom 26.04.2016 festgestellten Rentennachzahlung in Höhe von 33,36 € für die Zeit ab 01.01.2012.
Eine diesbezügliche Leistungsklage wurde vom Sozialgericht Heilbronn - inhaltlich - durch Urteil vom 13.12.2016 abgewiesen (S 4 R 2295/16), die dagegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde vom Landessozialgericht Baden-Württemberg mit Beschluss vom 23.01.2017, L 13 R 4827/16 NZB zurückgewiesen. In der Begründung wird ausgeführt, der Bescheid vom 26.04.2016 enthalte keine ablehnende Entscheidung über eine Verzinsung. Hierauf bezugnehmend hat der Kläger am 08.02.2017 beim Sozialgericht Untätigkeitsklage erhoben, die das Sozialgericht mit dem Kläger am 10.06.2017 zugestelltem Gerichtsbescheid vom 02.06.2017 und der Begründung abgewiesen hat, die Klage sei unzulässig, weil über die Verzinsung in dem auf den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 26.04.2016 ergangenen Widerspruchsbescheid vom 14.07.2016 sachlich entschieden worden sei, ebenso durch das Urteil des Sozialgerichts vom 13.12.2016. Die Berufung hat das Sozialgericht nicht zugelassen und in der Rechtsmittelbelehrung auf die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung alternativ zum Antrag auf mündliche Verhandlung hingewiesen.
Am 13.06.2017 hat der Kläger gegen diesen Gerichtsbescheid „1. Berufung eingelegt, 2. hilfsweise beantragt, die Berufung zuzulassen“ (L 10 R 2307/17). Mit Verfügung vom 19.06.2017 hat der Senat im Berufungsverfahren darauf hingewiesen, dass die bedingte Einlegung eines Rechtsmittels prozessual fraglich sein dürfte. Nachdem der Kläger das Vorliegen einer Bedingung in Zweifel gezogen hat, hat der Senat weiter darauf hingewiesen, dass ein Hilfsantrag grundsätzlich unter einer Bedingung steht und dass der Senat die Auffassung des Sozialgerichts zur fehlenden Statthaftigkeit der Berufung teilt. Daraufhin hat der Kläger mit am 21.07.2017 eingegangenem Schriftsatz vom 19.07.2017 die Berufung zurückgenommen und „den Klagantrag Ziff. 2 ‚Zulassung der Berufung‚ (nicht mehr hilfsweise) ... weiter verfolgt“.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Sie ist nicht innerhalb der vorgesehenen Frist erhoben worden.
Allerdings ist die Beschwerde statthaft.
Nach § 144 Abs. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des SG oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes
1. bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2. bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.
Vorliegend bedarf die Berufung der Zulassung.
Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist zwar eine Untätigkeitsklage. Indessen werden von der Berufungsbeschränkung des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 zweite Alternative SGG („hierauf gerichteten Verwaltungsakt“) auch Untätigkeitsklagen erfasst, die auf den Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtet sind, der u.a. Geldleistungen betrifft, die einen Wert von 750 Euro nicht übersteigen (BSG, Beschluss vom 06.10.2011, B 9 SB 45/11 B in SozR 4-1500 § 144 Nr. 7). Dies hat das BSG in der Entscheidung ausführlich und umfassend unter Hinweis auf Wortlaut und Sinn und Zweck der Regelung dargelegt und ist zu dem Schluss gekommen, maßgebend sei, dass die Berufung einen Rechtsstreit von geringem Wert betrifft. Der Senat schließt sich dieser Rechtsauffassung des BSG an und auch der Kläger hat die ursprünglich eingelegte Berufung entsprechend wieder zurückgenommen.
Aus § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG folgt nichts anderes. Zwar bezieht sich der geltend gemachte Verzinsungszeitraum auf mehr als ei...