Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Beschwerde über Nichtzulassung der Berufung. Streit um Kostenerstattung aus isoliertem Vorverfahren. Geldleistung. bedingte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde. Unzulässigkeit. Gebot der Rechtsmittelklarheit. Erklärung zu unbedingter Beschwerdeeinlegung nach Ablauf der Beschwerdefrist
Leitsatz (amtlich)
1. Eine auf die Erstattung der Kosten des isolierten Vorverfahrens gerichtete Klage ist auf eine Geldleistung im Sinne des § 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG gerichtet. Das gilt unabhängig davon, ob um die Kosten dem Grunde nach oder deren Höhe gestritten wird.
2. Die unter der Prozessbedingung, dass die Berufung nicht statthaft ist, eingereichte Nichtzulassungsbeschwerde ("Berufung, hilfsweise Beschwerde") ist nicht zulässig, weil dies dem Gebot der Rechtsmittelklarheit widerspricht (Anschluss an BFH vom 25.11.1999 - VII B 188/99 = BFH/NV 2000, 477 = juris RdNrn 2 und 3 und vom 1.6.1995 - VII B 31/95 = BFH/NV 1996, 9 = juris RdNr 1; BSG vom 10.3.2010 - B 14 AS 71/09 R = juris RdNr 4; BVerwG vom 17.2.1961 - IV C 98.60 ua = VerwRspr 13, 893, Leitsatz 1; BAG vom 13.12.1995 - 4 AZN 576/95 = NZA 1996, 554 = juris RdNr 7).
3. Die Beklagte hat erst mit Schriftsatz vom 3.4.2020 und damit weit nach Ablauf der Beschwerdefrist des § 145 Abs 1 S 2 SGG zum Ausdruck gebracht, dass Nichtzulassungsbeschwerde und Berufung nebeneinander eingelegt sind. Damit ist eine unbedingte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht innerhalb der Beschwerdefrist erfolgt (vgl BFH vom 1.6.1995 - VII B 31/95 aaO; LSG Stuttgart vom 4.10.2017 - L 10 R 2855/17 NZB = juris RdNr 18).
Normenkette
SGG § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 144 Ab S. 2, § 145 Abs. 1 S. 2; SGB X § 63 Abs. 1 S. 1
Tenor
I. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 31. Januar 2019 wird verworfen.
II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Beschwerdeverfahren.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde. In der Hauptsache ist die Übernahme der in einem isolierten Vorverfahren entstandenen Kosten des Klägers streitig.
Der 1957 geborene Kläger stellte bei der Beklagten am 25.11.2014 einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Nach Auswertung medizinischer Unterlagen bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 30.09.2015 ab 01.05.2015 eine Rente wegen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Den Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung lehnte sie hingegen ab. Der Kläger könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch eine Tätigkeit für mindestens sechs Stunden arbeitstäglich ausüben. Hiergegen richtete sich der Widerspruch des Klägers vom 08.10.2015. Der Entscheidung der Beklagten liege der Entlassungsbericht der Rehabilitationseinrichtung vom 08.06.2015 zugrunde. Danach habe zum Entlassungszeitpunkt kein Leistungsvermögen bestanden, jedoch sei prognostisch die Einschätzung getroffen worden, der Kläger könne mindestens sechs Stunden arbeiten. Zu der angenommenen gesundheitlichen Besserung sei es jedoch nicht gekommen. Eine weitere medizinische Sachaufklärung sei geboten.
Nach Einholung weiterer Krankenunterlagen fertigten Medizinaloberrat Z.... und der Leitende Medizinaldirektor Dr. Y...., Sozialmedizinischer Dienst der Beklagten, am 25.05.2016 ein Gutachten nach Untersuchung des Klägers am 11.04.2016. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe kein positives Leistungsbild mehr. Die Beurteilung gelte ab dem Tag der Untersuchung. Die Beklagte bewilligte dem Kläger daraufhin mit Bescheid vom 12.10.2016 ab 01.05.2016 bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze am 31.01.2032 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Dem Widerspruch sei damit teilweise abgeholfen worden. Sodann wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 15.12.2016 den Widerspruch, soweit ihm nicht durch Bescheid vom 12.10.2016 stattgegeben wurde, zurück. Aufgrund einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes im Widerspruchsverfahren sei das Restleistungsvermögen nunmehr aufgehoben. Eine volle Erwerbsminderung sei ab dem Tag der gutachterlichen Untersuchung, 11.04.2016, nachgewiesen. Kosten des Widerspruchsverfahrens seien nicht zu erstatten. Der Widerspruch sei nicht erfolgreich gewesen.
Der Kläger hat sein Begehren, das allein gegen die Kostenentscheidung des Widerspruchsbescheides gerichtet ist, mit der am 05.01.2017 zum Sozialgericht Dresden (SG) eingereichten Klage weiterverfolgt. Dem Widerspruch sei im Wesentlichen entsprochen worden, so dass eine zumindest anteilige Erstattung der Kosten zu erfolgen habe. Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 31.01.2019 verurteilt, dem Kläger unter Abänderung des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2016 die im Widerspruchsverfahren zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen zu acht Zehntel zu erstatten und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten anzuerkennen. Die Klage sei im Wesentlichen begründet. Dem Kläger stünden die Kosten des Widerspruchs...