Entscheidungsstichwort (Thema)
Sachverständigenvergütung. Ermittlung des Zeitaufwands. Stundenpauschale
Leitsatz (amtlich)
1. Die im Beschluss des Senats vom 22.9.2004 - L 12 RJ 3686/04 KO-A = Justiz 2005, 91 beschriebene kostenrechtliche Prüfung gestaltet sich zusammengefasst so, dass in einem ersten Schritt im Rahmen der Plausibilitätsprüfung das Gutachten und seine einzelnen Teile auf so genannte Standardseiten umgerechnet werden und anhand von Erfahrungswerten ein Zeitaufwand ermittelt wird, der im Falle eines "Routinegutachtens" zu erwarten ist. Überschreitet der Sachverständige mit seinem geltend gemachten Zeitaufwand das Ergebnis dieser Plausibilitätsprüfung, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob sich Hinweise ergeben, die eine Abweichung vom Ergebnis der Plausibilitätsprüfung rechtfertigen.
2. Eine Vergütung nach Stundenpauschalen ist nicht zulässig. Dementsprechend dient die vom Senat entwickelte kostenrechtliche Prüfung vor allem dazu, den erforderlichen Zeitaufwand individuell, also nach den tatsächlichen Gegebenheiten, insbesondere der Schwierigkeit des einzelnen Gutachtens zu ermitteln. Hierzu ist der tatsächliche Zeitaufwand des Sachverständigen ein wesentliches Indiz. Vermag der Sachverständige seinen tatsächlichen Zeitaufwand nicht anzugeben, ist der erforderliche Zeitaufwand aufgrund der bestehenden Erfahrungen abzuschätzen.
Tenor
Die Vergütung des Antragstellers für das Gutachten vom 8.1.2005 wird auf 425,66 € festgesetzt.
Tatbestand
In dem beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) anhängigen Berufungsverfahren L 6 SB 3336/04 geht es um die Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers.
Im November 2004 ist der Antragsteller unter Beifügung von 200 Blatt Akten zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und um die Erstattung eines Gutachtens auf Grund ambulanter Untersuchung des Klägers gebeten worden. Anwesend gewesen ist der Kläger im Klinikum, dem auch der Antragsteller angehört, in der Zeit von 9:00 bis 11:30, wobei in dieser Zeit in der Röntgenabteilung des Klinikums auch Röntgenbilder des Beckens, der Oberschenkel und der Lendenwirbelsäule angefertigten worden sind. Unter dem Datum des 8.1.2005 hat der Antragsteller sein 16-seitiges orthopädisches Gutachten (davon 7,5 Seiten Wiedergabe der Anamnese und Darstellung der Befunde und sieben Seiten Beantwortung der Beweisfragen einschließlich deren Wiederholung und einer kurzen Wiedergabe des Akteninhaltes) erstattet, wofür er eine Vergütung in Höhe von insgesamt 1136,74 € verlangt. Abgerechnet hat der Antragsteller insgesamt 11 Stunden zu 85 €, Schreibgebühren, das verauslagte Porto sowie die gesetzliche Umsatzsteuer. Das Gutachten umfasst insgesamt 18.820 Anschläge.
Der Kostenbeamte hat 5,5 Stunden zu einem Stundensatz von 60 €, Schreibgebühren, das verauslagte Porto sowie die gesetzliche Umsatzsteuer, insgesamt einen Betrag von 425,66 € vergütet.
Im Einzelnen stehen sich folgende Beurteilungen gegenüber: Zeitaufwand in Stunden Antragsteller Kostenbeamter Aktendurchsicht einschl. Diktat der Aktenlage 2:30 1:00 Untersuchung 3:00 2:00 Diktat von Anamnese und Befunden 1:30 0:30 Beurteilung einschl. Beantwortung der Beweisfragen 2:40 1:15 Korrektur 1:20 0:40 Gesamtzeitaufwand (gerundet) 11:00 5:30 Hiergegen hat der Antragsteller richterliche Festsetzung beantragt. Er führt u.a. aus, der Stundensatz von 85 € sei gerechtfertigt, weil er ein Vorgutachten einbezogen habe und die Reduzierung der Stundenzahl sei angesichts der sonst üblichen Stundensätze und insbesondere im Hinblick auf eine Normseite mit 1800 Anschlägen nicht hinnehmbar. Seinen tatsächlichen Zeitaufwand kann er nicht angeben.
Der Antragsgegner hält die vom Kostenbeamten getroffene Entscheidung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Im vorliegenden Fall finden die Regelungen des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz, JVEG) Anwendung, weil der Gutachtensauftrag nach dem 30.6.2004 an den Antragsteller erteilt worden ist (§ 25 Satz 1 JVEG).
Der Senat entscheidet nach § 4 Abs. 7 JVEG in voller Besetzung, nachdem der Einzelrichter das Verfahren wegen teilweiser grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache dem Senat übertragen hat.
Nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 JVEG erhält der Sachverständige als Vergütung ein Honorar für seine Leistungen, das nach Stundensätzen bemessen ist. Dementsprechend wird es gem. § 8 Abs. 2 JVEG für jede Stunde der erforderlichen Zeit gewährt, wobei die letzte bereits begonnene Stunde voll gerechnet wird, wenn sie zu mehr als 30 Minuten für die Erbringung der Leistung erforderlich war; anderenfalls beträgt das Honorar die Hälfte des sich für eine volle Stunde ergebenden Betrages. Für die Ermittlung der Anzahl der zu vergütenden Stunden kommt es - wie im bisherigen Recht, vgl. § 3 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sach...