Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Aufhebungsbescheid. Rechtsschutzbedürfnis. Bestehen einer rechtskräftigen zusprechenden Regelungsanordnung für den Aufhebungszeitraum. zeitliche Begrenzung des Streitgegenstandes
Leitsatz (amtlich)
1. Hebt ein Grundsicherungsträger seine Bewilligungsentscheidung mit Wirkung ex nunc durch Bescheid auf, besteht für einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes in Gestalt einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch bzw Anfechtungsklage gegen den Aufhebungsbescheid dann kein Rechtsschutzbedürfnis, wenn für den Aufhebungszeitraum bereits eine rechtskräftige zusprechende einstweilige Anordnung in Gestalt einer Regelungsanordnung existiert.
2. Der Streitgegenstand eines Eilverfahrens ist zeitlich begrenzt auf den Gegenstand eines entsprechenden Hauptsacheverfahrens, das dem Eilverfahren zugrunde liegt bzw zugrunde liegen könnte (Anschluss an LSG Stuttgart vom 10.9.2012 - L 13 AS 2976/12 ER-B). Daher ist bei Grundsicherungsleistungen für jeden neuen Bewilligungszeitraum nicht nur ein weiteres Klageverfahren, sondern auch ein neues Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes einzuleiten (Anschluss an LSG München vom 16.7.2012 - L 11 AS 323/12 B ER).
Normenkette
SGB X § 48 Abs. 1, § 31 S. 1, §§ 45, 50; SGB II §§ 6, 7 Abs. 2-3, 3a, §§ 36, 38 Abs. 1 Sätze 1-2, § 39 Nr. 1, § 40 Abs. 1-2, § 41 Abs. 3; SGB III § 331 Abs. 3; SGG § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2, S. 4, Abs. 2 Sätze 2, 4, §§ 96, 172 Abs. 1, §§ 173, 177, 193; ZPO §§ 927, 929 Abs. 2
Tenor
Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragsteller begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.
Der Antragsgegner bewilligte dem 1965 geborenen Antragsteller Ziff. 1 und der 1969 geborenen Antragstellerin Ziff. 2, die in Bedarfsgemeinschaft zusammenleben, mit Bescheid vom 24.10.2018 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01.11.2018 bis 31.10.2019 i.H.v. 1.349 € und i.H.v. 1.169 € monatlich ab Dezember 2018. Mit Änderungsbescheid vom 16.01.2019 wurden die Leistungen ab 01.01.2019 unter Berücksichtigung weiterer Heiz- und Nebenkosten für die Zeit ab 01.01.2019 auf 1.355 € monatlich erhöht. Wegen geänderter Höhe des Gasabschlages wurden die Leistungen nach dem SGB II mit Änderungsbescheid vom 24.01.2019 unter Aufhebung des Änderungsbescheides vom 16.01.2019 für die Zeit ab Februar 2019 auf monatlich 1.324 € reduziert.
Nachdem im April 2019 Hinweise auf Einkünfte der Antragsteller aus Onlineverkäufen aktenkundig geworden waren, forderte der Antragsgegner die Antragsteller mit Schreiben vom 25.04.2019 zur Einreichung näher benannter Unterlagen zum Nachweis erzielter Verkaufserlöse auf. Dieses Schreiben enthielt Hinweise auf die Folgen fehlender Mitwirkung. Mit weiterem, an den Antragsteller Ziff. 1 adressiertem Schreiben vom 25.04.2019 teilte der Antragsgegner mit, die Zahlung von Leistungen nach dem SGB II würde für beide Antragsteller vorläufig eingestellt (§ 40 Abs. 2 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 331 SGB III) und über die Leistungsansprüche werde nach Vorlage der erbetenen Unterlagen neu entschieden.
Die Antragsteller haben keine Unterlagen eingereicht und bei Hausbesuchen des Außendienstes des Antragsgegners wurden sie am 30.04.2019 und am 03.05.2019 jeweils nicht angetroffen.
Am 30.04.2019 beantragten die Antragsteller beim Sozialgericht Ulm (SG) die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes mit dem Ziel, den Antragsgegner vorläufig zur weiteren Leistungserbringung zu verpflichten. Mit Beschluss vom 19.07.2019 (S 14 AS 1782/19 ER) verpflichtete das SG den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung (§ 86b Abs. 2 SGG), den Antragstellern ab dem 30.04.2019 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bis längstens 31.10.2019 in Höhe von monatlich 1.355 € zu gewähren. Der Leistungsanspruch ergebe sich aus „dem bestandskräftigen Änderungsbescheid vom 16.01.2019“, denn der Antragsgegner habe nach der am 25.04.2019 mitgeteilten vorläufigen Zahlungseinstellung entgegen § 331 Abs. 2 SGB III diesen Bescheid, aus dem sich der Anspruch ergebe, nicht innerhalb von zwei Monaten (also spätestens mit Ablauf des Juni 2019) mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben. Dem Antragsgegner stehe daher kein Leistungsverweigerungsrecht mehr zu und die vorläufig eingestellten Leistungen seien unverzüglich nachzuzahlen. Gegen diesen Beschluss hat der Antragsgegner nicht Beschwerde eingelegt.
Der Antragsgegner zahlte in Ausführung des Beschlusses vom 19.07.2019 für die Zeit vom 01.05.2019 bis 31.07.2019 Leistungen i.H.v. monatlich 1.324 € an die Antragsteller aus.
Mit an den Antragsteller Ziff. 1 adressiertem Bescheid vom 29.07.2019 hob der Antragsgegner gestützt auf § 40 Abs. 1 und ...