Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Sachverständigenvergütung. Gutachten. Zeitaufwand. objektiv erforderliche Zeit. Aktenstudium
Orientierungssatz
1. Die Anzahl der einem Sachverständigen zu vergütenden Stunden orientiert sich nicht daran, wie viele Stunden dieser zur Erstattung des Gutachtens aufgewandt hat, sondern daran, wie viele Stunden für die Erstattung des Gutachtens erforderlich, also notwendig waren.
2. Beim Zeitaufwand für die Aktendurchsicht einschließlich Diktat des für das Gutachten erforderlichen Akteninhalts ist auch das Ausmaß der gutachtensrelevanten Aktenteile zu berücksichtigen. Nach Erfahrungswerten aus dem richterlichen Bereich, ist - bei Gutachten aufgrund ambulanter Untersuchung - für bis zu 200 Aktenseiten mit bis zu 50% gutachtensrelevantem Anteil bei der Plausibilitätsprüfung eine Stunde für Durchsicht und erforderliches Diktat anzusetzen.
Gründe
Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Beschlusses des Sozialgerichts Heilbronn (SG) wird vollinhaltlich Bezug genommen. Der Beschluss des SG entspricht der ständigen Rechtsprechung des Kostensenats beim Landessozialgericht. Medizinische Sachverständige erhalten nach § 9 Abs. 1 für jede Stunde ein Honorar in Höhe von 50, 60 oder 85 €, je nachdem, welcher Honorargruppe (M 1 bis M 3) das von ihnen erstattete Gutachten nach der Anlage 1 JVEG zuzuordnen ist. In Anlage 1 des JVEG werden die medizinischen Gutachten ihrem Schwierigkeitsgrad entsprechend in die bereits genannten drei Honorargruppen M 1, M 2 und M 3 eingeteilt, wobei sich der Gesetzgeber an den verschiedenen Gegenständen medizinischer Gutachten und ihrem Umfang orientiert hat und die Vergütung damit aufwandsbezogen gestaltet haben will (BTDrs. 15/1971 Seite 186). Im Einzelnen lautet die Regelung (soweit der Bereich der Sozialgerichtsbarkeit betroffen sein könnte):
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Gegenstand medizinischer und psychologischer Gutachten |
Honorar |
M1 |
Einfache gutachtliche Beurteilungen, insbesondere • zur Minderung der Erwerbsfähigkeit nach einer Monoverletzung |
50 € |
M2 |
Beschreibende (Ist-Zustands-) Begutachtung nach standardisiertem Schema ohne Erörterung spezieller Kausalzusammenhänge mit einfacher medizinischer Verlaufsprognose und mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad, insbesondere Gutachten • in Verfahren nach dem SGB IX, • zur Minderung der Erwerbsfähigkeit und zur Invalidität, • zu spurenkundlichen oder rechtsmedizinischen Fragestellungen mit Befunderhebungen (z.B. bei Verletzungen und anderen Unfallfolgen), |
60 € |
M3 |
Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad (Begutachtungen spezieller Kausalzusammenhänge und/oder differenzialdiagnostischer Probleme und/oder Beurteilung der Prognose und/oder Beurteilung strittiger Kausalitätsfragen), insbesondere Gutachten • zum Kausalzusammenhang bei problematischen Verletzungsfolgen, • in Verfahren nach dem OEG, • in Verfahren nach dem HHG, • zur Geschäfts-, Testier oder Prozessfähigkeit, • zu Berufskrankheiten und zur Minderung der Erwerbsfähigkeit bei besonderen Schwierigkeiten, • zu rechtsmedizinischen, toxikologischen und spurenkundlichen Fragestellungen im Zusammenhang mit einer abschließenden Todesursachenklärung, ärztlichen Behandlungsfehlern oder einer Beurteilung der Schuldfähigkeit. |
85 € |
In seinem Beschluss vom 22.9.2004, L 12 RJ 3686/04 KO-A hat der Senat ausgeführt, dass aus Gründen der Praktikabilität und angesichts unvollständiger gesetzlicher Regelung die bisherige Kostenrechtsprechung auf das neue Recht ergänzend und konkretisierend zu übertragen ist.
Es gilt daher:
Einfachere gutachtliche Beurteilungen mit einer Vergütung nach Honorargruppe M 1 (50 €) sind medizinische Gutachten, bei denen die Diagnose zu beurteilender Gesundheitsstörungen verhältnismäßig leicht zu stellen ist und die Beweisfragen ohne sonderliche Mühe zu beantworten sind, insbesondere wenn die Beurteilung durch antizipierte Sachverständigengutachten (Anhaltspunkte) oder einschlägige Tabellenwerke erleichtert wird. Hierunter fallen etwa
• augen- und ohrenfachärztliche Gutachten zur Frage des Ausmaßes einer Seh- oder Hörminderung sowie
• Gutachten unabhängig vom Sachgebiet (also auch die unten genannten “Zustandsgutachten„) ohne schwierige Diagnostik, wenn die Beurteilung - z.B. bei einer Monoverletzung - im Wesentlichen auf Zustand oder Funktion eines Organs (Organpaares) bzw. Körperteiles gerichtet ist und keine komplizierten Überlegungen anzustellen sind.
Gutachten mit einer Vergütung nach der Honorargruppe M 2 (60 €) sind die typischen in der Sozialgerichtsbarkeit eingeholten Gutachten, die durchschnittliche Anforderungen stellen. In diese Gruppe fällt daher der Großteil der von den Sozialgerichten eingeholten Gutachten. Gutachten mit durchschnittlicher Schwierigkeit sind solche, bei denen die diagnostischen oder die ätiologischen Fragen oder die Beurteilung des Leistungsvermögens eingehendere Überlegungen erfordern. Hierbei handelt es sich
• vor allem um sog. “Zustandsgutachten„, in denen d...