Entscheidungsstichwort (Thema)

Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner. Widerspruch gegen Bescheid einer Krankenkasse über Beendigung der Mitgliedschaft hat keine aufschiebende Wirkung. Wohnsitzverlegung nach Kroatien. keine Anwendung des deutschen Sozialversicherungsrechts mehr. Wohnsitzfiktion nach § 24 Abs 1 EGV 883/2004 nur bei alleinigem Bezug einer deutschen Rente anwendbar

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Widerspruch gegen den Bescheid einer Krankenkasse, mit dem diese die Mitgliedschaft einer Versicherten in der Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner zu einem konkreten Zeitpunkt

beendet, hat nach § 86a Abs 2 Nr 1 SGG keine aufschiebende Wirkung.

2. Verlegt eine in der Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner versicherte Person ihren Wohnsitz von Deutschland nach Kroatien und hat sie dort auch ihren gewöhnlichen Aufenthalt, findet nach § 3 Nr 2 SGB IV das deutsche Sozialversicherungsrecht keine Anwendung mehr. Ab diesem Zeitpunkt endet eine sich aus § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V und § 20 Abs 1 S 1, Abs 2 Nr 11 SGB XI ergebende Versicherung in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung.

3. Die in Art 24 Abs 1 VO (EG) Nr 883/04 (juris: EGV 883/2004) normierte Wohnsitzfiktion, die zu einem Fortbestand der Versicherungspflicht in der deutschen Kranken- und Pflegeversicherung führt, greift nur ein, wenn die Versicherte allein eine Rente aus der deutschen Rentenversicherung bezieht. Erhält sie dagegen auch eine Rente nach kroatischem Recht, führt dies dazu, dass sie Sachleistungen durch den kroatischen Versicherungsträger in Anspruch nehmen kann.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerinnen wird der Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 07.11.2018 aufgehoben und der Antrag abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Antragsgegnerinnen wenden sich gegen die Feststellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage der Klägerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.

Die 1935 geborene Antragstellerin bezieht seit 1974 eine Rente der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung (zunächst Erwerbsminderungsrente, seit 01.10.2000 Altersrente). Zusätzlich bezieht sie eine Witwenrente der kroatischen Rentenversicherung. Zumindest seit 2015 hält sich die Antragstellerin dauerhaft in Kroatien auf. Es besteht Pflegegrad 3.

Nach Anhörung (Schreiben vom 09.04.2018) teilte die Antragsgegnerin zu 1) der Antragstellerin mit Bescheid vom 09.07.2018 mit, dass die Mitgliedschaft in der Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner (KVdR und PVdR) zum 31.08.2018 beendet werde. Die Antragstellerin beziehe eine deutsche und eine kroatische Rente und habe ihren gewöhnlichen Aufenthalt seit 2015 ausschließlich in Kroatien. Aus ihrer Stellungnahme gehe hervor, dass sie aus gesundheitlichen Gründen auf absehbare Zeit auch nicht nach Deutschland kommen könne. Allein der Wunsch, ins Inland einzureisen, reiche nicht aus.

Am 16.07.2018 legte die Antragstellerin Widerspruch ein.

Am 31.08.2018 hat sie beim Sozialgericht Mannheim einstweiligen Rechtsschutz beantragt “zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung zum Fortbestand der Versicherungsmitgliedschaft in der Kranken- und Pflegekasse„. Die Antragstellerin habe sich bei einem Besuch ihres Sohnes in Kroatien im Dezember 2015 den Oberschenkelhals gebrochen und daher nicht nach Deutschland zurückkehren können. Im Mai 2017 habe sie sich erneut den Oberschenkelhals gebrochen. Ihr Gesundheitszustand habe sich verschlechtert, so dass sie weiterhin nicht transport- und reisefähig sei, obwohl sie lieber in Deutschland leben würde. Die Antragstellerin halte sich gewissermaßen zwangsmäßig in Kroatien auf, ein Domizilwille bestehe nicht. Allein aufgrund ihrer geringen Witwenrente in Kroatien (ca 30 Euro) wäre zwar eine Versicherung bei der kroatischen Krankenkasse möglich, die Antragstellerin verlöre jedoch ihre Ansprüche aus der Pflegekasse. Dies bedeute gravierende Einschnitte in ihrer medizinischen Versorgung und Betreuung.

Das SG Mannheim hat das Verfahren mit Beschluss vom 17.09.2018 an das örtlich zuständige Sozialgericht Stuttgart (SG) verwiesen.

Die Antragsgegnerin zu 1) ist dem Antrag entgegengetreten. Aufschiebende Wirkung bestehe nach § 86a Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht. Versehentlich seien der Antragstellerin noch bis Oktober 2018 Pflegegeldzahlungen geleistet worden (monatlich 545 Euro). Von einer Rückforderung der versehentlichen Überzahlung für September und Oktober 2018 werde abgesehen. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund lägen nicht vor. Die Antragstellerin könne in Kroatien Mitglied in einer Krankenversicherung werden und sich entsprechend behandeln lassen. Zwar möge es zutreffend sein, dass es in Kroatien eine Pflegeversicherung nicht gebe, hier gelte jedoch das Recht des Wohnmitgliedstaates der EU. Aus Sicht der Antragsgegnerin zu 1) hätten die Voraussetzungen einer Mitgliedschaft schon weit vor dem 31.08.2018 nicht mehr vorgelegen. Nach der Leistungsübersicht sei davon auszugehen, dass sich die Antragstellerin bereits seit...

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