Leitsatz (amtlich)
1. Für die Ladung eines Zeugen gilt keine besondere gesetzliche Ladungsfrist.
2. Bei einer ganz kurzfristigen Ladung eines Zeugen dürfen an den Entschuldigungsversuch des Zeugen vor dem Termin keine all zu strengen Anforderungen gestellt werden (wie OLG Düsseldorf OLGR 1994, 170).
3. Zur Frage, wann der Zeuge sein Ausbleiben rechtzeitig genügend entschuldigt.
4. Dem Zeugen können keine Kosten wegen des dem Gericht durch die fruchtlose Terminierung und die Absetzung des Ordnungsgeldbeschlusses entstandenen zusätzlichen Zeitaufwands auferlegt werden.
Tenor
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 22. November 2006 aufgehoben.
Die Staatskasse hat dem Beschwerdeführer die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde, der das Sozialgericht (SG) nicht abgeholfen hat, ist zulässig, weil form- und fristgerecht eingelegt; Beschwerdeausschließungsgründe liegen nicht vor.
Die Beschwerde ist auch sachlich in vollem Umfang begründet.
Gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - i. V. m. § 380 Abs. 1 Zivilprozessordnung - ZPO - werden einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, die durch das Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt. Zugleich wird gegen ihn ein Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft festgesetzt. Gemäß Art. 6 Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch beträgt das Ordnungsgeld zwischen 5,00 € und 1.000,00 €.
Zwar ist der Beschwerdeführer als Zeuge nach Maßgabe des § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 377 Abs. 2 ZPO ordnungsgemäß geladen worden. Denn die Ladung entsprach § 377 Abs. 2 ZPO und war formlos ohne Zustellung möglich (vgl. § 63 Abs. 1 Satz 2 SGG; vgl. auch § 377 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Anders als für die Ladung zu einer mündlichen Verhandlung und die Beteiligten des Rechtsstreits gilt für die Ladung eines Zeugen keine besondere gesetzliche Ladungsfrist (vgl. OLG Düsseldorf OLGR Düsseldorf 1994, 170; Zöller/Greger, ZPO, § 377 Rz. 4b; Damrau in MüKomm, ZPO, § 380 Rz. 3).
Gemäß § 381 Abs. 1 Satz 1 ZPO unterbleibt die Auferlegung von Kosten und die Festsetzung eines Ordnungsmittels, wenn das Ausbleiben des Zeugen rechtzeitig genügend entschuldigt wird. Erfolgt die Entschuldigung nicht rechtzeitig, so unterbleiben die Auferlegung der Kosten und die Festsetzung eines Ordnungsmittels nur dann, wenn glaubhaft gemacht wird, dass den Zeugen an der Verspätung der Entschuldigung kein Verschulden trifft (§ 381 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Erfolgt die Glaubhaftmachung oder die genügende Entschuldigung nachträglich, so werden die gegen den Zeugen getroffenen Anordnungen wieder aufgehoben (§ 381 Abs. 1 Satz 3 ZPO).
Genügend ist eine Entschuldigung dann, wenn bei Würdigung aller Umstände dem Zeugen das Erscheinen nicht zugemutet werden kann (vgl. Reichold in Thomas/Putzo Zivilprozessordnung, 27. Aufl., § 382 Rdnr. 2; ähnlich Bundesfinanzhof ≪BFH≫ Beschluss vom 10. November 1987 - V B 66/85 -in Juris).
Der Beschwerdeführer hat sein Ausbleiben zum Termin zu seiner Vernehmung als Zeuge am 22. November 2006 genügend entschuldigt. Seinem vor dem Termin eingegangenen Entschuldigungsschreiben vom 22. November 2006 ist zu entnehmen, dass er sich aufgrund der Kurzfristigkeit der Ladung wegen der Tätigkeit in seiner internistischen/kardiologischen Praxis zur Terminswahrnehmung nicht in der Lage sah. Angesichts dessen, dass die Ladung zum Termin lediglich fünf Tage vorher erfolgte und dabei der Termin lediglich eine halbe Stunde nach dem Ende der regulären Sprechstunde bestimmt wurde, war dem Zeugen nach den konkreten Umständen das Erscheinen nicht zuzumuten. Bei einer internistisch, insbesondere kardiologisch ausgerichteten Praxis erfolgt von akuten Erkrankungen abgesehen die Behandlung regelmäßig aufgrund feststehender Termine, die häufig schon längere Zeit vorher vereinbart sind. Die Ladung ist ihm am Freitag, den 17. November 2006 um 13:25 Uhr zugegangen. Von daher ist nachvollziehbar, dass die Kurzfristigkeit der Ladung - zwischen Ladung und Termin lag noch ein Wochenende - den Beschwerdeführer vor besondere Schwierigkeiten gestellt hat. Dazu kommt, dass die Terminstunde lediglich eine halbe Stunde nach dem Ende der regulären Sprechstunde sein sollte. Es ist aber allgemein bekannt, dass auch bei Ende der angekündigten Praxisöffnungszeit häufig noch Patienten, seien sie nach Terminvereinbarung oder spontan in die Praxis gekommen, auf die Behandlung warten. Auch wenn grundsätzlich die zwingende öffentlich-rechtliche Pflicht zum Erscheinen als Zeuge beruflichen Verpflichtungen vorgeht, muss bei der Terminierung auf offenkundige, insbesondere auch durch öffentlich-rechtliche Vorschriften überlagerte berufliche Belange Rücksicht genommen werden; dies gilt in Sonderheit, wenn - wie hier - die Ladung ganz kurzfristig erfolgt. Deshalb ist zu Recht die Auffassung vertreten worden, dass bei kurzfristiger Ladung an den Entschuldigungsversuch eines Zeugen vor dem Termin ke...