Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: Nichterscheinen eines Zeugen. Verhängung eines Ordnungsgeldes. Anforderungen an eine ordnungsgemäße Ladungsfrist. Anforderungen an die Entschuldigung eines Nichterscheinens zum Verhandlungstermin. Bemessung eines Ordnungsgeldes wegen Nichterscheinens
Orientierungssatz
1. Jedenfalls eine Ladung zu einem Termin zur mündlichen Verhandlung, die einen Zeugen drei Tage vor dem Termin erreicht, ist im Hinblick auf die verbleibende Zeit bis zum Termin als ordnungsgemäß anzusehen.
2. Ist ein Zeuge zu einem Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen, der angesetzt worden ist, weil der Zeuge von ihm angeforderte Unterlagen nicht zur Verfügung gestellt hat (hier: Befundbericht), so ist ein daraufhin festgesetztes Ordnungsgeld selbst für den Fall, dass der Befundbericht nachträglich eingereicht hat, nur dann aufzuheben, wenn der Zeuge zugleich sein unverschuldetes Nichterscheinen und die verspätete Entschuldigung dieses Nichterscheinens entschuldigen kann.
3. Die Wahrnehmung einer geschäftlichen oder beruflichen Angelegenheit kann das Ausbleiben eines Zeugen in einem Termin zur mündlichen Verhandlung nur dann rechtfertigem, wenn die Angelegenheit für den Zeugen unaufschiebbar war. Eine Arbeitsüberlastung in einer Arztpraxis stellt keine solche unaufschiebbare Angelegenheit dar.
4. Einzelfall zur Bemessung eines Ordnungsgeldes bei unentschuldigtem Ausbleiben eines Zeugen im Verhandlungstermin.
Tenor
Die Beschwerde des Zeugen gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 03. April 2012 wird zurückgewiesen.
Der Zeuge hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
I.
In dem beim Sozialgericht Berlin anhängigen Klageverfahren wegen Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung wurde der Zeuge, der zuvor unter dem 24. Februar 2012 vergeblich an die Erstattung des mit Schreiben vom 29. November 2011 angeforderten Befundberichts erinnert worden war, zum Termin zur Beweisaufnahme am 03. April 2012 um 09.00 Uhr geladen. Die Ladung enthielt den Hinweis, dass im Falle des unentschuldigten Ausbleibens mit den gesetzlich angedrohten Ordnungsmitteln zu rechnen ist. Sie enthielt den Zusatz, dass der Beweistermin aufgehoben werden könne, wenn der Befundbericht bis zum 30. März 2012 eingeht. Die Ladung erfolgte unter Mitteilung des Beweisthemas mit Postzustellungsurkunde, die dem Zeugen unter der Anschrift A , B durch Einlegung in den zu seinem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten am 23. März 2012 zugestellt wurde.
Der Zeuge ist im Termin nicht erschienen.
Mit Beschluss vom 03. April 2012 hat das Sozialgericht dem Zeugen die durch sein unentschuldigtes Fernbleiben verursachten Kosten des Verfahrens und zugleich ein Ordnungsgeld von 250 Euro auferlegt und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft (je 125 Euro ein Tag) festgesetzt. Da es auf die Angaben des Zeugen wegen des Auslandsaufenthalts des Klägers in besonderem Maße ankomme sowie im Hinblick auf die Bedeutung des Rechtsstreits für den Kläger, sei ein Ordnungsgeld in Höhe eines Viertels des Höchstmaßes festzusetzen.
Am 05. April 2012 ging der unter dem 02. April 2012 datierte Befundbericht des Zeugen, dem seine Liquidation vom 04. April 2012 beigefügt gewesen ist, beim Sozialgericht ein.
Gegen den ihm am 13. April 2012 zugestellten Beschluss richtet sich die als Widerspruch bezeichnete am 30. April 2012 eingelegte Beschwerde des Zeugen.
Er macht geltend, eine dramatische Praxissituation habe ihn vom Verlassen seiner Praxis abgehalten. Er habe außerdem unmittelbar vor der Verhandlung dem Gericht schriftlich eine Stellungnahme zukommen lassen (30. März 2012). Die Höhe des festgelegten Ordnungsgeldes empfinde er als Kassenarzt als zu hoch und dem Anlass nicht angemessen. Vom Senat zur Konkretisierung und Glaubhaftmachung aufgefordert, hat der Zeuge wegen der schriftlichen Stellungnahme vom 30. März 2012 auf seinen Befundbericht vom 02. April 2012 verwiesen und vorgetragen: Am Tag der Verhandlung sei sein Kollege in Urlaub gewesen. Außerdem sei das Kind seiner Assistenzärztin krank geworden. Es habe an diesem Tag ein besonderer Ansturm in der Praxis geherrscht. Angesichts zweier Krankenhauseinweisungen sei der Termin seiner Belastung zum Opfer gefallen. Er habe damit zu tun, dass bei sinkenden Einnahmen der Kassenversorgung über den Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigung die überschießende Leistungsinanspruchnahme nicht eingedämmt werden könne.
Wegen des weiteren Sach- und Verfahrensstandes sowie des Vorbringens des Zeugen wird auf die Gerichtsakten, einschließlich S 14 R 3054/11, die bei der Entscheidung vorgelegen haben, Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Nach § 118 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 380 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) werden einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, ohne dass es eines Antrages bedarf, die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt. Zugleich wird gegen ihn ein Ordnungsge...