Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Beschwerde. Aufhebung. PKH-Bewilligung. Erstreckung der Prozessvollmacht. Überprüfungsverfahren. Adressat der Aufforderung zur Abgabe einer Erklärung gem § 120 Abs 4 S 2 ZPO
Leitsatz (amtlich)
1. § 172 Abs 3 Nr 2 SGG erfasst schon von seinem Wortlaut her nicht Beschwerden gegen einen die Bewilligung von PKH aufhebenden Beschluss nach § 124 Nr 2 ZPO.
2. Eine im Verfahren erteilte Prozessvollmacht erstreckt sich jedenfalls dann auch auf das Überprüfungsverfahren nach § 120 Abs 4 S 2 ZPO, wenn aus der Vollmachtsurkunde deutlich wird, dass die Bevollmächtigung nicht mit dem Hauptsacheverfahren endet und der Bevollmächtigte auch das PKH-Verfahren durchgeführt hat.
3. Ist die Prozessvollmacht auch im Überprüfungsverfahren zu beachten, sind die Aufforderung zur Erklärung nach § 120 Abs 4 S 2 ZPO und auch ein Beschluss nach § 124 Nr 2 ZPO an den Prozessbevollmächtigten zu richten.
Tenor
Auf die Beschwerde der Kläger wird der Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 3. März 2010 aufgehoben.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe
Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz (SG) vom 3. März 2010 hat Erfolg; sie ist zulässig und begründet.
I.
1. Der Beschwerde ist statthaft; ein gesetzlicher Ausschlusstatbestand greift nicht ein. Gemäß § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) findet gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte die Beschwerde an das Landessozialgericht (LSG) statt, soweit im SGG nicht etwas anderes bestimmt ist. Eine andere Bestimmung in diesem Sinne liegt hier nicht vor. Insbesondere findet § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444), wonach die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe (PKH) ausgeschlossen ist, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die PKH verneint, keine Anwendung. Beschwerden gegen die Aufhebung von PKH werden zunächst vom Wortlaut des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG nicht erfasst. Der Senat folgt darüber hinaus auch der wohl einhelligen Meinung in der Rechtsprechung, dass eine erweiternde Auslegung oder analoge Anwendung dieses Ausschlusstatbestands auf Fallgestaltungen, in denen die Bewilligung von PKH aufgehoben worden ist, nicht in Betracht kommt (so LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 14. Januar 2010 - L 1 AL 137/09 B m.w.N.; ebenso: LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.10.2009 - L 11 R 898/09 PKH-B - beide veröffentlicht in Juris). Es liegt weder eine planwidrige Regelungslücke vor, noch sind gleichartige Sachverhalte gegeben. Die Ablehnung eines Antrags auf PKH ist mit der Aufhebung einer bereits bewilligten PKH, durch die dem Antragsteller eine Rechtsposition wieder entzogen wird, nicht vergleichbar. Der Gesetzesbegründung (Bundestagsdrucksache 820/07, S. 29, zu Nr. 29 Buchst. b) ist nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber den Ausschluss der Beschwerde auf die Aufhebung von PKH erstrecken wollte (LSG Rheinland-Pfalz a.a.O.).
2. Die Beschwerde ist darüber hinaus form- und fristgerecht eingelegt worden (vgl. dazu §§ 172 Abs. 1 und 173 SGG). Die sich aus § 173 Satz 1 SGG ergebende Monatsfrist wäre - unter Zugrundelegung des sich aus der Zustellungsurkunde ergebenden Tags der Zustellung des Beschlusses vom 3. März 2010 (8. März 2010) bei der Klägerin zu 1. zum Zeitpunkt des Eingangs der Beschwerdeschrift beim SG am 10. Juni 2010 zwar bereits abgelaufen gewesen. Die Frist begann hier jedoch schon nicht zu laufen, da der Beschluss vom 3. März 2010 nicht ordnungsgemäß zugestellt worden ist. Die Klägerin zu 2. betreffend ergibt sich dies bereits aus dem Umstand, dass diese zum Zeitpunkt der Zustellung - Ermittlungen zum aktuellen Wohnort wurden seitens des SG offenbar nur hinsichtlich der Klägerin zu 1. durchgeführt - nicht mehr zur Bedarfsgemeinschaft gehört hat. Im Übrigen hätte der Beschluss vom 3. März 2010 gemäß § 73 Abs. 6 Satz 5 SGG dem Bevollmächtigten der Kläger zugestellt werden müssen. Ausweislich der im Verlauf des Hauptsacheverfahrens vorgelegten Vollmachtsurkunde erstreckte sich die Vollmacht neben der Befugnis zur “Prozessführung (u. a. nach §§ 81 ff. ZPO)„ die Vertretung vor Sozialbehörden und -gerichten sowie alle Neben- und Folgeverfahren (Nr. 13 der Vollmachtsurkunde). Gerade letztere Bestimmung macht deutlich, dass die Bevollmächtigung nicht mit der Erledigung des Hauptsacheverfahrens (hier durch Vergleich vom 17. April 2008) enden sollte. Darüber hinaus hatte der Bevollmächtigte auch den Antrag auf PKH für die Kläger gestellt und das Bewilligungsverfahren für diese betrieben. Jedenfalls in einer solchen Konstellation erstreckt sich die nach § 73 SGG erteilte Prozessvollmacht auch auf das Verfahren der nachträglichen Überprüfung der persönlichen...