Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. sprachbehinderter Schüler. Anspruch auf Eingliederungshilfe bis zum Erreichen des Eingliederungsziels trotz verbesserten Gesundheitszustandes. schulische Ausbildung. keine Verweisung auf Bildungsabschluss in Form einer Lehre
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Schüler, der unter einer phonetisch phonologischen Störung leidet, hat auch nach einer Besserung seiner (körperlichen) Sprachfähigkeit solange einen Rechtsanspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 53 Abs 1 S 1 SGB 12, bis feststeht, dass das Ziel der Eingliederungshilfe - hier Ermöglichung der Ausübung eines angemessenen Berufs - erreicht ist.
2. Die Erlangung eines qualifizierten Bildungsabschlusses kann ein behinderter Schüler bei entsprechender Begabung durch einen Schulbesuch anstreben; auf die Anerkennung eines gleichwertigen Bildungsabschlusses über den Weg einer Lehre muss er sich nicht verweisen lassen.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 31. März 2008 aufgehoben.
Der Antragsgegner wird verpflichtet, die Kosten für die Förderung, Betreuung und Unterbringung des Antragstellers für den Besuch der Heimsonderberufsfachschule in der P. W. darlehensweise ab 27. Dezember 2007 (Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung) vorläufig bis zum Ende des Schuljahres 2007/2008 am 6. September 2008 zu übernehmen.
Der Antragsgegner erstattet dem Antragsteller seine außergerichtlichen Kosten für das Antrags- und Beschwerdeverfahren.
Dem Antragsteller wird für das Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz für beide Rechtszüge Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt L. beigeordnet.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen und darlehensweisen Übernahme der Kosten für die Förderung, Betreuung und Unterbringung des Antragstellers im Rahmen des Besuchs der Heimsonderberufsfachschule für hör- und sprachbehinderte Jugendliche in der Paulinenpflege in W..
Der am 1990 geborene Antragsteller, der von klein auf an einer phonetisch phonologischen Störung iS von multiplem Stammeln, unverständlicher Sprache, Dysgrammatismus und den hieraus resultierenden Lernschwierigkeiten litt, möchte nach dem Erreichen eines sehr guten Hauptschulabschlusses nach teilstationärem Besuch des Hör-Sprachzentrums W. (Angaben des Antragstellers, Sonderschule, Notendurchschnitt 1,8) sich weiterqualifizieren und über den vollstationären 3-jährigen Sonderberufsfachschulbesuch in der Paulinenpflege mit Unterricht in Kleingruppen den allgemein gültigen Realschulabschluss mit vollwertiger Englischnote erlangen, um für die (vorläufig) ins Auge gefasste Berufsausbildung “Koch„ eine gute Ausgangsposition zu erreichen. Seit dem 10.09.2007 ist er vorläufig - unter dem Vorbehalt der Kostenzusage des zuständigen Sozialleistungsträgers und ggf. kurzer Kündigungsmöglichkeit durch die Einrichtung - in die Berufsfachschule Bereich Ernährung und Gesundheit der Paulinenpflege aufgenommen, zu deren Bildungsangebot er für sich mit Blick auf eine bisher unzureichende Unterrichtung im Fach Englisch - lediglich erweitertes Bildungsangebot anstatt Unterrichtsfach - keine Alternative sieht. Befürwortet wird diese Vorgehensweise im Abschlussbericht des Hör-Sprachzentrums W. vom 15.02.2007, von der Berufsberatung der Agentur für Arbeit R. (Stellungnahme vom 10.08.2007) und von Dr. L. vom Fachbereich Gesundheit des Beklagten nach einer Untersuchung am 20.08.2007 (Bericht vom 23.08.2007). Dem Antragsteller wird darin bescheinigt, dass noch eine Sprachbehinderung in Stress- und Unsicherheitssituationen vorliegt, aber nicht mehr in für ihn alltäglichen Situationen, so dass eine wesentliche Behinderung nicht mehr vorliege. Auf Nachfrage des Antragsgegners teilte das Hör-Sprachzentrum W. mit, dass sich die Sprachbehinderung wesentlich verbessert habe, momentan aber noch Probleme mit der Rechtschreibung, der selbständigen Verfassung von Texten und dem Satzaufbau bestünden. Er spreche und lese sehr schnell und überhastet und verschlucke oft Endungen, besonders in Stresssituationen. Der Besuch der Realschule im Hör-Sprachzentrum A., das ebenso wie die zuvor besuchte Sonderhauptschule zu den Ziegler___AMPX_’_SEMIKOLONX___schen Anstalten gehört, komme nicht in Frage, da dort bereits ab der 5. Klasse Englisch unterrichtet worden sei und in einem Jahr auf Realschulniveau geprüft werde, was für den Antragsteller eine zu große Hürde darstelle, an der er vermutlich scheitern werde. Genau für diesen Fall bestehe die Möglichkeit über die Berufsfachschule in W. zum Realschulabschluss zu gelangen. Der Antragsgegner lehnte den Antrag mit Bescheid vom 18.09.2007 mit der Begründung ab, dass keine wesentliche Behinderung und damit auch keine wesentliche Einschränkung der Teilhabefähigkeit mehr vorliege.
Mit dem Widerspruch legte der Antragsteller das Schreiben der Berufsfachschule in der Paulinenpflege in W. vom 04.10.2007 vor. Darin wird der Antragste...