Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragspsychotherapeutische Versorgung. Zeitfenster. Anzahl der Behandlungsstunden. Berücksichtigung von Behandlungsarten

 

Orientierungssatz

1. Die Forderung von 250 Behandlungsstunden, wie sie im Rundschreiben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vom 18.8.1998 genannt wird, hält sich im Rahmen der Konkretisierung des Tatbestandsmerkmales des § 95 Abs 10 SGB 5 (vgl BSG vom 8.11.2000 - B 6 KA 52/00 R = BSGE 87, 158 = SozR 3-2500 § 95 Nr 25).

2. Berücksichtigung können nur Behandlungen finden, die im Rahmen des Delegationsverfahrens oder des Kostenerstattungsverfahrens erbracht worden sind, nicht aber Behandlungen, die bei Privatversicherten, bei Selbstzahlern oder bei über andere Kostenträger als die gesetzliche Krankenversicherung gegen Krankheit versicherten Personen (zB Sozialhilfeträger) angefallen sind (vgl BSG vom 8.11.2000 - B 6 KA 52/00 R aaO).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 30.01.2002; Aktenzeichen B 6 KA 93/01 B)

 

Tatbestand

Die 1948 geborene Klägerin ist berechtigt, den Grad "Diplom-Psychologe/University of Washington" zu führen. Sie besitzt die italienische und amerikanische Staatsangehörigkeit, ist mit einem Deutschen verheiratet und lebt seit 1992 in F, wo sie seit 1993 als Psychotherapeutin in verschiedenen Einrichtungen tätig war. Sie spricht Englisch als Muttersprache und nach langjährigem Aufenthalt in Brasilien und Chile nach eigenen Angaben fließend Portugiesisch und Spanisch. Im Juni 1996 eröffnete sie in F eine eigene psychotherapeutische Praxis. Die Berechtigung zur Teilnahme am sogenannten Delegationsverfahren beantragte sie nicht. Im Rahmen ihrer selbstständigen Tätigkeit erbrachte sie ihrem Vorbringen nach von Juni 1996 bis 24.6.1997 bei Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung im Rahmen des sogenannten Kostenerstattungsverfahrens 195 Behandlungsstunden sowie weitere 72 Behandlungsstunden, die die Versicherten selbst zahlten. Die Klägerin ist des Weiteren auf Grund eines Honorarvertrages im Umfang von acht Wochenstunden an der psychologischen Beratungsstelle für Ehe-, Familien- und Lebensfragen der katholischen Gesamtkirchengemeinde F tätig. Mit Urkunde vom 25.3.1999 erteilte das Regierungspräsidium Stuttgart der Klägerin die Approbation als Psychologische Psychotherapeutin.

Den Antrag der Klägerin vom 21.12.1998 auf Zulassung als Psychologische Psychotherapeutin in F lehnte der Zulassungsausschuss ab (Beschluss vom 28.4.1999/Bescheid vom 14.5.1999). Den Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte zurück (Beschluss vom 8.9.1999/Bescheid vom 24.9.1999). Die Zulassung sei zu verweigern gewesen, weil die Klägerin lediglich den Nachweis für 195 Behandlungsstunden im Kostenerstattungsverfahren führen könne. Sie habe im Zeitfenster nicht ausreichend berufsrelevant im Hinblick auf die eingerichtete und bestehende Praxis gearbeitet und damit keinen schutzwürdigen Besitzstand begründet. Ein Anspruch auf eine Ermächtigung werde ebenfalls nicht gesehen. Über einen Ermächtigungsantrag könne erst entschieden werden, wenn der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen Feststellungen zur Versorgungslage im Bereich der Psychotherapie getroffen habe.

Gegen den ihren Prozessbevollmächtigten am 27.11.1999 zugestellten Bescheid des Beklagten hat die Klägerin am 13.12.1999 bei dem Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben (S 1 KA 3677/99) und zugleich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Zulassung begehrt (S 1 KA 3676/99 ER).

Mit Beschluss vom 29.2.2000 hat das SG die Klägerin vorläufig bis zur bestandskräftigen Entscheidung über ihren Antrag auf bedarfsunabhängige Zulassung als Psychologische Psychotherapeutin in ... F, K-J-Straße ... zur vertragsärztlichen psychotherapeutischen Versorgung zugelassen. Die Beschwerde der Beigeladenen Nr. 1 gegen den Beschluss des SG hat der Senat zurückgewiesen (Beschluss vom 23.6.2000 -- L 5 KA 1792/00 ER-B --).

Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin geltend gemacht, dass die nachgewiesenen, im Kostenerstattungsverfahren abgerechneten Therapiestunden in einem einzigen Kalenderjahr absolviert worden seien, sei ein zwingendes Indiz dafür, dass sie eine gut fundierte freiberufliche und deshalb schutzwürdige Praxis im Zeitfenster begründet gehabt habe. Sie habe im Übrigen nachgewiesen, dass sie im letzten Kalenderjahr des Zeitfensters (25.6.1996 bis 24.6.1997) eine Anzahl von Therapiestunden für Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht habe, die wegen der Umständlichkeit des Kostenerstattungsverfahrens freiwillig von den Patienten bezahlt worden seien. Ihre besondere Qualifikation, Therapien in portugiesischer, spanischer und englischer Sprache durchführen zu können, habe dazu geführt, dass von den insgesamt nachgewiesenen 267,5 Therapiestunden 72,5 Therapiestunden von Patienten trotz bestehender gesetzlicher Krankenversicherung privat bezahlt worden seien. Ihre Lebensplanung sei erkennbar auf die Tätigkeit als niedergelassene Psychologische Psychotherapeutin hin orientiert gewesen.

Mit Urteil vom ...

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