Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Versorgung mit einem Blindenführhund
Leitsatz (amtlich)
Zum Anspruch auf Versorgung mit einem Blindenführhund.
Tenor
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 09.12.2010 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren.
Tatbestand
Im Streit steht die Versorgung mit einem Blindenführhund.
Der am … 1983 geborene, bei der Beklagten versicherte Kläger leidet an einer fortschreitenden Netzhautdegeneration (Retinopathia pigmentosa), Kurz- und Stabsichtigkeit (bestkorrigierter Fernvisus rechts 0,1, links 0,2), wechselndem Außenschielen, Augenzittern und beidseitiger Linsentrübung. Das Gesichtsfeld ist rechts auf 3 bis 9 Grad und links auf 5 bis 11 Grad eingeschränkt. Er ist im Besitz eines Schwerbehindertenausweises mit festgestelltem Grad der Behinderung (GdB) von 100 und den anerkannten Merkzeichen “G„, “Bl„, “H„ und “RF„. Außerdem ist die Notwendigkeit ständiger Begleitung nachgewiesen (“B„). Zur Fortbewegung benutzt er einen Blindenlangstock. In den Jahren 1996/97 absolvierte er ein Mobilitätstraining mit Unterweisung in den Gebrauch des Blindenlangstockes. Der Kläger ist mit Hunden aufgewachsen und bewohnt eine Vierzimmerwohnung.
Am 30.09.2008 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für einen Blindenführhund. Seinem Antrag legte er die Verordnung seiner Augenärztin sowie einen Kostenvoranschlag der Blindenführhundeschule B. in Höhe von 25.559,21 € bei. Zur Begründung gab er an, er habe aufgrund seiner Augenerkrankung Probleme bei der Fortbewegung. Trotz Trainings mit dem Langstock könne ihm dieser nicht die notwendige Sicherheit und Bewegungsfreiheit bieten. Als junger Mensch sei ihm die selbständige Teilnahme am öffentlichen Leben (zB Großstadtverkehr, kulturelle Veranstaltungen etc) sehr wichtig. Er wolle viel unterwegs und sportlich aktiv sein. Die Einschränkungen stellten eine große psychische Belastung dar. Auch bei der Aufnahme sozialer Kontakte könne ihm der Blindenführhund helfen. Eine Begleitperson sei nicht ständig verfügbar. Die Blindenführhundeschule B. habe er ausgewählt, weil die Hunde dort nach modernsten tiefenpsychologischen Kenntnissen auf sanfte Weise ausgebildet würden, ohne Drill oder Gewalteinwirkung. Dies sei ihm als großer Tierfreund sehr wichtig. Mit Bescheid vom 13.10.2008 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten für einen Blindenhund ab. Es liege kein Nachweis für ein durchgeführtes Mobilitätstraining vor. Zudem bestehe noch eine Restsehfähigkeit.
Hiergegen legte der Kläger vertreten durch einen Blinden- und Sehbehindertenverband am 07.11.2008 Widerspruch ein und ließ vortragen, er sei nach den gesetzlichen Vorgaben als blind einzustufen und habe das geforderte Mobilitätstraining absolviert. Der Blindenführhund sei von allen Mobilitätshilfen für blinde Menschen am unmittelbarsten und weitgehendsten geeignet, die Behinderung so weit wie möglich auszugleichen. Der Führhund könne sehen und einmal Gesehenes bei der nächsten Begegnung wieder erkennen. Er könne Hindernisse erkennen, einschätzen und umgehen. Er beachte auch Seiten- und Höhenhindernisse. Der Führhund ermögliche eine entspanntere und sicherere Fortbewegung. Die aufzubringende Konzentration sei nicht so hoch wie bei Benutzung eines Blindenlangstockes. Die Bedingungen für eine artgerechte Unterbringung und Haltung seien beim Kläger gegeben. Der Kläger legte ein Schreiben seines Allgemeinarztes Dr. K. vor, wonach die Anschaffung eines Blindenführhundes dringend angezeigt sei. Außerdem reichte er einen Kurzbericht seiner Mobilitätstrainerin ein. Die Beklagte schaltete daraufhin den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) ein. Im Gutachten vom 09.12.2008 führte Dr. A., Chirurg und Sozialmediziner, aus, es sei derzeit nicht zu bestätigen, dass das Grundbedürfnis der Mobilität insbesondere für die Erledigung von Alltagsgeschäften und Spaziergängen an der frischen Luft ausschließlich durch die Gewährung eines Blindenführhundes erheblich verbessert werden könne. In Betracht komme ein erneutes Mobilitätstraining sowie die Ausstattung mit einem Ultraschallgerät am Langstock (“Langstock ultra-bodyguard„). Mit Widerspruchsbescheid vom 13.05.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Am 08.06.2009 hat der Kläger beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt, er sei blind und bereits deshalb dem Grunde nach versorgungsberechtigt, weil er mit einem Blindenlangstock ausgestattet sei. Der Blindenlangstock könne ihm nicht die nötige Sicherheit und Bewegungsfreiheit bieten. Dies gelte auch für die nähere Wohnortumgebung. Ein sicheres Gehen mit dem Blindenlangstock sei allenfalls in der eigenen Wohnung möglich. Außerhalb der Wohnung gelinge das nur nach intensivem Orientierungs- und Mobilitätstraining, mit hoher Konzentration und unter beherrschbaren “normalen„ Straßenverkehrs- und Ortsbedingungen. Die nötige Sicherheit und Bewegungsfreiheit könne dem Kl...