Entscheidungsstichwort (Thema)

Geltung des Weiterbildungsrechts im vertragsärztlichen Bereich. keine Behandlung von Patienten über das 18. Lebensjahr hinaus durch Kinderarzt. Vertrauensschutz

 

Orientierungssatz

1. Für die Abrechnung der einzelnen Fachgebiete sind im kassen- und vertragsärztlichen Bereich die auf landesgesetzlicher Grundlage beruhenden Bestimmungen des Weiterbildungsrechts maßgebend (vgl BSG vom 20.3.1996 - 6 RKa 34/95 = SozR 3-2500 § 95 Nr 9).

2. Aus der berufsrechtlichen Aufgliederung des einheitlichen Arztberufes in verschiedene Fachdisziplinen und der (auch) vertragsärztlichen Beschränkung der ärztlichen Tätigkeit auf das Fachgebiet, für das der Arzt zugelassen ist, folgt zwingend, dass es für die Einhaltung der Fachgebietgrenzen und die Beurteilung der Fachfremdheit weder auf in der Person des Arztes liegende Gesichtspunkte ebenso wenig ankommt wie auf Besonderheiten eines Behandlungsfalles. Folge der berufsrechtlichen Aufgliederung für den Kinderarzt ist damit, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt, nämlich dem 18. Lebensjahr, die Behandlung von Patienten nicht mehr in sein Fachgebiet fällt.

3. Aus der unbeanstandeten Abrechnung bestimmter Leistungen über einen längeren Zeitraum erwächst kein Recht, auch in Zukunft entsprechend abrechnen zu dürfen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Nichtvergütung von Leistungen des Klägers im Quartal 2/98 bei erwachsenen Patienten streitig.

Der Kläger ist als Kinderarzt in S. niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Im Quartal 2/98 behandelte er insgesamt 862 Patienten der gesetzlichen Krankenversicherung (Fachgruppe 1.397).

Mit Bescheid vom 31. Juli 1998 teilte ihm die Beklagte mit, sie habe bei der Überprüfung seiner Abrechnung im Quartal 2/98 festgestellt, dass er insgesamt 67 Fälle von erwachsenen Patienten eingereicht habe, die nicht am Rande seines Fachgebietes liegend bezeichnet werden könnten. Auch handle es sich hierbei nicht um Notfälle. Deswegen seien die Behandlungsfälle, bei denen das Geburtsdatum der Patienten vor dem 1. April 1980 liege, aus der Abrechnung entnommen worden, da diese nicht vergütet werden könnten.

Mit seinem hiergegen am 10. August 1998 eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, es handle sich zum einen um Impfleistungen, vorwiegend bei nicht geimpften Familienmitgliedern gleichzeitig mit Säuglingen oder Kindern, da z.B. die Polio-Impfung bei Nichtgeimpften eine Polioerkrankung auslösen könne. Ferner habe er langjährige Patienten weiterbehandelt, die inzwischen das 18. Lebensjahr vollendet und an chronischen schweren Erkrankungen litten. Hierbei habe es sich um nicht operable Herzfehler, schwere geistige und körperliche Behinderungen, über Jahre zu behandelnde Schilddrüsenerkrankungen oder um größere Eingriffe wie zum Beispiel Steißbeinzystenausräumung mit großen, tiefen sekundär heilenden Wunden gehandelt. Bei dieser Gruppe sei ein Wechsel zu anderen Kollegen versucht, aber nicht angenommen worden. Weiter habe es sich um Diagnostik und/oder Mitbehandlung von Infektionskrankheiten innerhalb einer Familie gehandelt, um unkompliziert und kostensparend weitere Ansteckungen zu vermeiden. Schließlich sei versäumt worden, einige Notfallbehandlungen entsprechend zu deklarieren. Es handle sich somit bei den beanstandeten Patienten insgesamt nicht um neu dazu gekommene oder angeworbene Patienten und damit nicht um ein überproportional fachfremdes Tun.

Mit Bescheid vom 16. November 1998 (Beschluss vom 11. November 1998) wies der Vorstand der Beklagten den Widerspruch mit der Begründung zurück, die berufliche Tätigkeit eines Kinderarztes sei grundsätzlich auf die Behandlung von Kindern beschränkt und ende daher spätestens mit Vollendung des 18. Lebensjahres des Patienten. Bei den beanstandeten Abrechnungsscheinen handle es sich weder um Notfallbehandlungen noch um auf das Alter bezogene Grenzfälle. Der Kläger habe auch eine Benennung der angeblichen Notfallbehandlungen nicht vorgenommen, so dass insoweit eine andere Beurteilung nicht erfolgen könne. Die durchgeführten Behandlungen der Erwachsenen lägen auch nicht am Rande des Leistungsspektrums eines Kinderarztes, so dass eine Anwendung der Ausnahmeregelung des § 7 Abs. 5 des Honorarverteilungsmaßstabes (HVM), wonach bis zu 5 % Abrechnungsfälle mit einzelnen insgesamt fachfremden Leistungen anerkannt werden könnten, nicht möglich wäre. Daraus, dass in früheren Abrechnungen Behandlungen von Erwachsenen unbeanstandet honoriert worden seien, könne kein Rechtsanspruch auf Überschreitung der Fachgebietsgrenzen hergeleitet werden. Auch sei nicht ersichtlich, dass dem Kläger die Behandlung von Erwachsenen ausdrücklich zugestanden worden wäre. Zweifellos stünden nämlich in S. ausreichend viele Allgemeinärzte zur Behandlung Erwachsener zur Verfügung, so dass die Sicherstellung der Behandlung dieser Patienten daher gewährleistet sei. Die unvergütete Zurücksendung der Fälle sei daher sachlich berechtigt.

Hiergegen hat der Kläger am 16. Dezember 1998 Klage beim So...

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