Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Hilfsmittelvertrag. Erklärung des Beitritts durch einen Leistungserbringer. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen für einen Vertragsbeitritt nach § 127 Abs 2a S 1 SGB 5.

 

Orientierungssatz

Erfordert der Beschaffungsbedarf eine bestimmte Form der Hilfsmittelabgabe - vorherige Messung, Anprobe, Auswahl unter verschiedenen Modellen, Abgabe in einem Fachgeschäft - darf die Krankenkasse den Abschluss von Verträgen und den Beitritt zu bestehenden Verträgen davon abhängig machen, dass der Leistungserbringer diese Voraussetzungen garantieren kann. Dem stehen verfassungsrechtliche Vorschriften (Art 12 Abs 1 GG und Art 3 Abs 1 GG) nicht entgegen.

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 18. Februar 2010 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

Der Streitwert für das Antrags- und Beschwerdeverfahren wird auf je 1.500 € festgesetzt

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung über den Beitritt zu bestehenden Verträgen mit anderen Leistungserbringern bzw hilfsweise über den Abschluss eines eigenen Vertrages die Versorgung von Versicherten der Antragsgegnerin mit Fertigbandagen.

Die Antragstellerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) mit Sitz in S.. Sie ist die deutsche Niederlassung der international tätigen B. M. Research Gruppe, deren Muttergesellschaft ihren Hauptsitz in Irland hat. Sie vertreibt Produkte auf den Gebieten Schmerztherapie, Muskelaufbau, Inkontinenz, Bandagen, Orthesen und Elektrodenfixierungen im Versandhandel. Für die fachliche Beratung steht eine telefonische Service-Hotline zur Verfügung. Nach eigener Einschätzung ist sie seit 2004 ein größerer Anbieter von vorkonfektionierten Fertigbandagen. Sie verfügt über eine Zulassung als Leistungserbringerin gemäß § 126 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der bis 31. März 2007 geltenden Fassung des Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen (Gesundheits-Reformgesetz - GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2477). Auf der deutschsprachigen Version der Homepage der Antragstellerin (www.n..com) findet sich unter Rubrik “Service - Häufige Fragen - Bandagen„ folgender Passus:

“Wo erhalte ich eine n.®-Bandage?

Ihr Haus- oder Facharzt kann Bandagen verordnen. n.® sendet Ihnen die Bandage zu, sobald die Verordnung bei uns eintrifft.

Mit der Zusendung erhalten Sie auch eine Empfangsbestätigung für die Bandage und einen freigemachten Rückumschlag, mit der Bitte, diesen unterschrieben an n.® zurückzusenden. Sie können sie aber auch hier bestellen.„

Unter der Rubrik “Service - Direktversand„ wird ausgeführt:

“n.® liefert im Direktversand Hilfsmittel zur Schmerztherapie und zum Muskelaufbau sowie medizinische Verbrauchsprodukte für den täglichen Bedarf wie zum Beispiel Haftpads.

Alle angebotenen Produkte sind sorgfältig auf die Bedürfnisse der Patienten abgestimmt. Es gibt für die jeweilige Indikation/Erkrankung jeweils das passende Hilfsmittel und die dazugehörigen Verbrauchsprodukte.

Die angebotenen Produkte sind in dem Hilfsmittelverzeichnis der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen. Deshalb übernehmen die meisten gesetzlichen und privaten Krankenkassen in den meisten Fällen auch die Kosten. Voraussetzung ist die Verordnung durch einen Arzt. Die Verordnung schicken Sie oder Ihr behandelnder Arzt an n.®. Wir übernehmen dann alles weitere für Sie.

Das verordnete Produkt wird von unserem Zentrallager in S. unmittelbar nach Eingang der Verordnung verschickt. Sie bekommen Ihr Hilfsmittel schnell, sicher verpackt und als neutrale Paketsendung nach Hause geliefert.„

Die Antragsgegnerin ist eine gesetzliche Krankenkasse, deren Zuständigkeitsbereich sich auf das Bundesland M.-V. erstreckt.

Im Oktober 2007 gab die Antragsgegnerin öffentlich bekannt, dass sie beabsichtige, Verträge gemäß § 127 Abs 2 SGB V über die Versorgung ihrer Versicherten unter anderem mit Hilfsmitteln der Produktgruppe (PG) 05, Bandagen, schließen zu wollen. Daraufhin kam es auch zum Abschluss von Verträgen zwischen der Antragsgegnerin und anderen Leistungserbringern über die Versorgung der Versicherten der Antragsgegnerin mit Bandagen gemäß PG 05, Gehhilfen gemäß Produktuntergruppe 10.50.01 bis 10.50.03 und 10.99.01 und Kompressionsprodukten gemäß PG 17. Diese Verträge beinhalten in § 4 Abs 6 (Bl 45 der SG-Akte) folgenden Passus:

“Zu Beginn der Versorgung der Versicherten der A. M-V ist grundsätzlich eine individuelle Messung durch den Leistungserbringer durchzuführen. Dies gilt sowohl für die Abgabe von Konfektionsware als auch bei der Versorgung mit individuell herzustellenden Bandage und Kompressionsprodukten. Auch bei einer Folgeverordnung ist vor der Abgabe eine individuelle Messung erforderlich. Vor der Abgabe der Bandage bzw des Kompressionsproduktes ist grundsätzlich eine Anprobe durchzuführen.„

Die Antragsgegnerin leitete der Antragstellerin mit Schreiben vom 15. November 2007 ebenfalls einen Vertragsen...

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