Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Hilfsmittelvertrag. Erklärung des Beitritts durch einen Leistungserbringer. Zulässigkeit eines Teilbeitritts
Leitsatz (amtlich)
Der Beitritt eines Leistungserbringers von Hilfsmitteln nach § 127 Abs 2a SGB 5 zu einem Vertrag nach § 127 Abs 2 SGB 5 ist als Angebot auf Abschluss eines Vertrages "zu den gleichen Bedingungen" wie der bereits bestehende Vertrag zu werten. Die Bezeichnung des Vertragsangebots als Beitritt bringt nur zum Ausdruck, dass das Zustandekommen des Vertrages allein vom Willen des Beitretenden abhängt, weil die Krankenkasse verpflichtet ist, das Vertragsangebot anzunehmen, wenn alle Voraussetzungen für einen Beitritt erfüllt sind. Auch ein Teilbeitritt - Abschluss eines Vertrages nur in Bezug auf einen Teil der vom bestehenden Vertrag erfassten Produktgruppen - ist möglich.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 24. September 2010 abgeändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin so behandeln, als hätte die Antragsgegnerin die Angebote der Antragstellerin vom 23. Oktober 2009 und 21. Mai 2010 auf Abschluss eines Vertrages zur Versorgung von Versicherten mit Hilfsmitteln der Produktgruppe 09 des Hilfsmittelverzeichnisses zu den Bedingungen der am 24./28. April 2009 zwischen der Antragsgegnerin und der R.P.M. GmbH Düsseldorf geschlossenen “Vereinbarung über die Abgabe von Hilfsmitteln gem. § 127 Abs 2 SGB V„ mit Wirkung ab Zustellung dieses Beschlusses angenommen.
Diese vorläufige Anordnung wird bis zum 31. Dezember 2012 befristet. Die Anordnung verliert ihre Wirksamkeit, wenn die Antragstellerin nicht binnen drei Monaten nach der Zustellung dieses Beschlusses in der Hauptsache Klage mit dem Ziel erhoben haben wird, aufgrund der Erklärung des Teilbeitritts zum vorgenannten Vertrag das Rechtsverhältnis gegenüber der Antragsgegnerin feststellen zu lassen, außerdem mit rechtskräftigem Abschluss des Hauptsacheverfahrens.
Im Übrigen wird die Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen.
Die Kosten des Antrags- und Beschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerin und die Antragsgegnerin je zur Hälfte. Davon ausgenommen sind die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selber tragen.
Der Streitwert für das Antrags- und Beschwerdeverfahren wird auf je 108.159 € festgesetzt.
Gründe
I.
Streitig ist, ob die Antragstellerin einem Vertrag zur Hilfsmittelversorgung wirksam beigetreten ist.
Die Antragstellerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) mit Sitz in S.. Sie ist die deutsche Niederlassung der international tätigen B. M. R. Gruppe, deren Muttergesellschaft ihren Hauptsitz in Irland hat. Sie vertreibt Produkte auf den Gebieten Schmerztherapie, Muskelaufbau, Inkontinenz, Bandagen, Orthesen und Elektrodenfixierungen. Für die fachliche Beratung steht eine telefonische Service-Hotline zur Verfügung. Sie verfügt über eine von der AOK Baden-Württemberg erteilte Zulassung als Leistungserbringerin gemäß § 126 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der bis 31. März 2007 geltenden Fassung des Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen (Gesundheits-Reformgesetz - GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2477) zur Abgabe von Geräten zur Eigenbehandlung (elektronische Muskelstimulatoren, TENS-Geräte) und zur Lieferung von Fertigbandagen (Schreiben der AOK vom 2. Oktober 2006). Die Antragsgegnerin ist eine Aktiengesellschaft, deren Grundkapital von Betriebskrankenkassen - den Beigeladenen - gehalten wird und deren Unternehmenszweck ua in der Bündelung der Nachfrage beim Abschluss von Verträgen mit Leistungserbringern besteht.
Am 24./28. April 2009 schloss die Antragsgegnerin ohne vorherige Ausschreibung und “handelnd für die dem Vertrag beitretenden Krankenkassen„ (dies sind die Beigeladenen) mit der R.P.M. GmbH Düsseldorf (im Folgenden R.P.M. genannt) die “Vereinbarung über die Abgabe von Hilfsmitteln gem. § 127 Abs 2 SGB V„, welche die Versorgung der Versicherten der beigeladenen Betriebskrankenkassen mit Hilfsmitteln der Produktgruppen (PG) 09 (Elektrostimulationsgeräte), 14 (Atemtherapiegeräte - hier Pariboys) und 21 (Messgeräte für Körperzustände - hier Blutdruckmessgeräte), deren Reparatur und Wartung sowie sicherheitstechnische Kontrolle und die Abrechnung der vereinbarten Preise zum Vertragsgegenstand hat. In § 2 Abs 2 Satz 1 des Vertrages verpflichtet sich R.P.M., die Versicherten entsprechend den gesetzlichen Vorschriften und den Bestimmungen dieses Vertrages zu versorgen. Nach § 3 Abs 1 Satz 1 des Vertrages hält R.P.M. ausreichende Räumlichkeiten und qualifiziertes Personal zur Vorführung und Erprobung sowie zur ordnungsgemäßen Lagerung der Hilfsmittel, Ersatz- und Zubehörteile vor. Der Vertrag gilt ab 1. Mai 2009 für unbestimmte Zeit; wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt des Vertrages (AS 18 bis 72 der SG-Akte S 2 KR 1358/10 ER) Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 23. Oktober 2009 erklärte die Antragstellerin ...