Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren. Berücksichtigung unterschiedlicher Gegenstandswerte der anwaltlichen Tätigkeit im Gerichtsverfahren. gerichtliche Streitwertfestsetzung. keine zeitlich gestaffelte Streitwertfestsetzung. keine Bindungswirkung. Antrag nach § 33 Abs 1 RVG
Leitsatz (amtlich)
1. Eine nach Zeitabschnitten gestaffelte Streitwertfestsetzung hat nicht allein deshalb zu erfolgen, weil sich die Gebühren des Rechtsanwalts im gerichtlichen Verfahren nach unterschiedlichen Werten richten.
2. In einem solchen Fall kommt der Streitwertfestsetzung des Gerichts keine Bindungswirkung gemäß § 32 Abs 1 RVG zu.
3. Für die Festsetzung eines vom Streitwert abweichenden Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit steht den Beteiligten daher das Antragsverfahren nach § 33 Abs 1 RVG offen. (Aufgabe von LSG Stuttgart vom 15.3.2016 - L 11 R 5055/15 B).
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 08.04.2020 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I.
Die Beklagte begehrt nach Erledigung des Verfahrens die Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren.
Im Verfahren war eine Krankenhausvergütung iHv 26.770,16 € streitig. Mit Schriftsatz vom 20.03.2018 gab die Beklagte über einen Betrag iHv 18.704,41 € ein Teilanerkenntnis ab und veranlasste eine entsprechende Auszahlung. Mit Schreiben vom 06.12.2019 unterbreitete die Klägerin der Beklagten einen über das Teilanerkenntnis hinausgehenden Vergleichsvorschlag (Zahlung eines weiteren Betrages in Höhe von 3.003,28 € zur Abgeltung sämtlicher Ansprüche aus dem streitigen Behandlungsfall). Diesen nahm die Beklagte bereits mit Schriftsatz vom selben Tage an.
Das Verfahren endete durch feststellenden Beschluss vom 09.12.2019. Mit Beschluss vom 06.12.2019 setzte das Sozialgericht Ulm (SG) den Streitwert endgültig auf 26.770,16 € fest.
Am 03.02.2020 hat die Beklagte beantragt, den für die Rechtsanwaltsvergütung bezüglich der Einigungsgebühr maßgeblichen Gegenstandswert auf 8.074,75 € festzusetzen.
Mit Beschluss vom 08.04.2020 hat das SG den Antrag abgelehnt. Dieser sei nicht begründet, da der für die Gerichtsgebühren festgesetzte Wert auch für die Vergütung des Rechtsanwalts maßgeblich sei. Eine (selbstständige) Wertfestsetzung für Rechtsanwaltsgebühren sei nach § 33 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) nur vorgesehen, wenn sich die Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren entweder nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert berechneten oder es an einem solchen Wert fehle. In gerichtlichen Verfahren, in denen wertabhängige Gerichtsgebühren anfielen und in denen der Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens und der der anwaltlichen Tätigkeit identisch seien, sei daher kein Raum für eine Festsetzung des Gegenstandswertes nach § 33 RVG. In diesen Fällen erfolge die Festsetzung ausschließlich nach § 32 RVG. Nach § 32 Abs 1 RVG sei für die Festsetzung der Gebühren des Rechtsanwalts grundsätzlich der für die Gerichtsgebühren maßgebende gerichtlich festgesetzte Wert bestimmend (§ 2 Abs 1 iVm § 23 RVG). Für das Klageverfahren selbst sei nach § 197a Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm §§ 3 Abs 1, 63 Abs 2 Gerichtskostengesetz (GKG) der Streitwert mit Beschluss vom 06.12.2019 ausgehend von dem von der Klägerin mit der Klage verfolgten Zahlungsanspruch festgesetzt worden. Der Streitwert erfasse dabei auch den Wert des gerichtlichen Vergleichs, der zur Beendigung des Klageverfahrens geführt habe. Denn zwischen gerichtlicher und anwaltlicher Tätigkeit liege eine vollständige Übereinstimmung vor, so dass die Bindungswirkung der gerichtlichen Streitwertfestsetzung die weitergehende Wertfestsetzung hinsichtlich des Wertes des Vergleichsgegenstandes nach § 33 Abs 1 RVG sperre.
Gegen den ihr am 23.04.2020 zugestellten Beschluss richtet sich die am 07.05.2020 eingelegte Beschwerde der Beklagten, der das SG nicht abgeholfen hat. Zwar sei der für die Gerichtsgebühren maßgebende Wert nach § 32 Abs 1 RVG auch für die Bestimmung der Gebühren des Rechtsanwalts maßgeblich. Dies gelte jedoch nicht, wenn sich die Gebühren eines Anwalts nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Wert berechneten. Hier sei bezüglich der Verfahrens- und Terminsgebühr der für die Gerichtsgebühren festgesetzte Wert maßgeblich, nicht jedoch bezüglich der Einigungsgebühr. Gegenstandswert des Vergleichs sei nur noch die offene Forderung iHv 8.065,75 € gewesen. Von den ursprünglich eingeklagten 26.770,16 € habe die Beklagte 18.704,41 € nebst Zinsen anerkannt und noch am 20.03.2018 die entsprechende Zahlung angewiesen. Damit sei der Anspruch in dieser Höhe materiell-rechtlich erloschen. Auf die Annahme des Anerkenntnisses oder eine prozessuale Erklärung für erledigt komme es nicht an. Es entspreche der gängigen Praxis, in derartigen Fällen die Einigungsgebühr aus dem Teil zu berechnen, bezüglich dessen der Vergleich geschlossen werde. In der Sache verw...