Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Streitwertfestsetzung. Teilanerkenntnis. keine zeitlich gestaffelte Wertfestsetzung. Rechtsanwaltsvergütung. Möglichkeit der gesonderten Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit. Terminsgebühr. rechtsmissbräuchliche Beschränkung des Anerkenntnisses auf die Hauptforderung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es besteht keine Pflicht zu einer zeitlich gestaffelten Festsetzung des Streitwerts (§ 63 Abs 2 GKG, juris: GKG 2004) wegen Reduzierung des Streitgegenstandes infolge eines Teilanerkenntnisses.

2. Vielmehr eröffnet in einem solchen Fall § 33 Abs 1 RVG die Möglichkeit einer gesonderten Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit.

3. Zu der Frage, ob ein Anerkenntnis rechtsmissbräuchlich nur deshalb zunächst auf die Hauptforderung beschränkt wird, um dadurch den für die Terminsgebühr des Rechtsanwalts maßgeblichen Gegenstandswert auf die Nebenforderung zu drücken.

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Streitwertfestsetzung in Ziffer II des Beschlusses des Sozialgerichts Leipzig vom 17. Juni 2019 wird zurückgewiesen.

II. Kosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Festsetzung des Streitwertes in einem sozialgerichtlichen Verfahren.

In dem Verfahren war eine Krankenhausvergütung in Höhe von 13.291,33 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.02.2014 streitig. Die Beklagte gab zunächst mit am 11.02.2019 beim Sozialgericht (SG) eingegangenen Schriftsatz vom 07.02.2019 ein Anerkenntnis für die eingeklagte Hauptforderung ab. Zur Übernahme der Zinsen erklärte sie sich nicht bereit, weil alle prüfrelevanten Unterlagen erst im Klageverfahren mit der Patientenakte vorgelegt worden seien; erst mit deren Vorlage habe die streitige Hauptdiagnose bestätigt werden können. Dieses Teil-Anerkenntnis nahm die Klägerin am 07.03.2019 unter Aufrechterhaltung der Klage im Übrigen (hinsichtlich der Zinsen) an. Am 05.06.2019 gab die Beklagte auch hinsichtlich der Zinsen ein Anerkenntnis ab, das die Klägerin am 17.06.2019 annahm.

Daraufhin hat das SG mit Beschluss vom 17.06.2019 der Beklagten die Kosten des Verfahrens auferlegt (Ziffer I des Beschlusses) und den Streitwert auf 13.291,32 € festgesetzt (Ziffer II des Beschlusses).

Gegen Ziffer II dieses am 24.06.2019 zugestellten Beschlusses richtet sich die von der Beklagten am 09.08.2019 bei dem Sächsischen Landessozialgericht (LSG) eingelegte Beschwerde, mit der sie die Festsetzung eines Stufenstreitwertes (bis 07.02.2019 in Höhe von 13.291,32 € und danach in Höhe von 2.734,98 €) begehrt. Nach angenommenem Teil-Anerkenntnis seien lediglich noch die Zinsen streitig gewesen, mit der Folge, dass der Streitwert ab diesem Zeitpunkt zu senken sei. Die Streitwertbemessung sei auch für die Bemessung der wertabhängigen Rechtsanwaltsgebühren maßgebend. Eine abweichende Gegenstandswertfestsetzung komme mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 33 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) nicht in Betracht. In Anbetracht der Bindungswirkung nach § 23 Abs. 1 Satz 1, § 32 Abs. 1 RVG sei es geboten, streitwertrelevante Änderungen schon bei der gerichtlichen Streitwertbemessung nach § 63 Abs. 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG) zu berücksichtigen.

Die Beklagte beantragt,

Ziffer II des Beschlusses des Sozialgerichts Leipzig vom 17. Juni 2019 abzuändern und den Streitwert bis zum 07.02.2019 auf 13.291,32 € und danach auf 2.734,98 € festzusetzen.

Die Klägerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Eine zeitlich gestaffelte Streitwertfestsetzung entbehre jeglicher Grundlage. Nach § 40 GKG sei für die Wertberechnung der Zeitpunkt der den Rechtszug einleitenden Antragstellung maßgeblich. Die Rechtsanwaltsgebühren berechneten sich dem Grunde nach gemäß § 32 RVG nach dem vom Gericht festgesetzten Wert. Sofern die Beklagte die Auffassung vertrete, dass für einzelne Gebührentatbestände der anwaltlichen Tätigkeit ein vom für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Wert abweichender Wert heranzuziehen sei, so gehe sie fehl in der Annahme, dass dies durch eine Entscheidung von Amts wegen zu erfolgen habe.

II.

Über die Streitwertbeschwerde entscheidet der Senat in der Besetzung mit drei Berufsrichtern, nachdem die Berichterstatterin das Verfahren gemäß § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 6 Satz 2 GKG wegen grundsätzlicher Bedeutung dem Senat übertragen hat und ehrenamtliche Richter gemäß § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 6 Satz 3 GKG nicht mitwirken.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Dabei kann dahinstehen, ob die Beschwerde nicht bereits unzulässig ist, weil der Beklagten zur Erreichung ihres Zieles die Möglichkeit der Beantragung einer Gegenstandswertfestsetzung nach § 33 RVG offen steht. Denn die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet. Das SG durfte den Streitwert auf 13.291,32 € und damit in Höhe der zunächst mit der Klage geltend gemachten Hauptforderung (§ 43 Abs. 1 GKG) festsetzen. Zur Festsetzung eines Stufenstreitwertes weg...

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