Entscheidungsstichwort (Thema)

Landwirtschaftliche Unfallversicherung. Beitragsmaßstab. Jagdfläche

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Begriff "Jagdfläche" umfaßt den gesamten Jagdbezirk einschließlich befriedeter Flächen.

2. Ist die befriedete Fläche mehr als doppelt so groß wie die bejagbare Fläche eines Jagdbezirks, so ist die wertmäßig einheitliche Zugrundelegung der gesamten Jagdfläche zur Ermittlung des Beitrages zur gesetzlichen Unfallversicherung unzulässig.

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe von Beiträgen zur gesetzlichen Unfallversicherung für das vom Kläger und den Beigeladenen gepachtete Jagdrevier V R in S

Der Jagdbezirk umfaßt eine Gesamtfläche von 1287 ha, wovon 870 ha befriedete Flächen darstellen. Bis 1992 berechnete die Beklagte die Beiträge allein aus der bejagbaren Fläche von rund 417 ha. Mit Schreiben vom 18. Januar 1994 teilte die Beklagte dem Kläger mit, in Zukunft würden die Beiträge aus der gesamten Fläche erhoben. Nach § 8 des Bundesjagdgesetzes (BJG) bildeten alle Grundflächen einer Gemeinde, die nicht zu einem Eigenjagdbezirk gehören, einen gemeinschaftlichen Jagdbezirk. Aus dieser Vorschrift ergebe sich, daß zu einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk auch die befriedeten Bezirke zu zählen seien. In solchen Bezirken ruhe zwar die Jagd. Dies schließe jedoch nicht die Wahrnehmung sämtlicher mit dem Jagdrecht verbundener Befugnisse und Pflichten auf diesen Flächen aus, z.B. die Wildfolge und die Aneignung, soweit nicht Befugnisse des Eigentümers oder Nutznießers bestehen. Außerdem könne in befriedeten Bezirken durch Anordnung der unteren Jagdbehörde eine beschränkte Ausübung der Jagd gestattet werden. Demzufolge könnten auch auf derartigen Flächen Jagdunfälle vorkommen, die entschädigt werden müßten.

Am 15. März 1994 erließ die Beklagte gegenüber dem Kläger den Beitragsbescheid für 1993 auf der neuen Grundlage.

Hiergegen erhob der Kläger als Bevollmächtigter der Jagdgemeinschaft am 13. April 1994 Widerspruch unter Berufung darauf, daß zwei Drittel der Jagdfläche nicht bejagbar seien, weil es sich um befriedete, insbesondere um besiedelte und industriell genutzte Bereiche handle. Eine Wildfolge in Ballungsgebieten sei rein theoretischer Natur, weil z.B. auf dem Marktplatz von V -R oder auf dem Gelände der Firma I dieses Recht nicht wahrgenommen werden könne. Im übrigen sei in Baden-Württemberg nach § 3 Abs. 4 Landesjagdgesetz (LJG) auf Grundflächen, auf denen die Jagd ruhe, den Eigentümern oder Nutzungsberechtigten das Jagdrecht zuerkannt worden für das gesamte Raubwild. Schließlich stehe das Jagdrecht in befriedeten Bezirken nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln auch an anderen Wildarten grundsätzlich dem Eigentümer zu, so daß dieser dort, wenn er sich solches Wild aneigne, nicht Wilderei begehe. In Hofräumen und Hausgärten bestehe gemäß § 16 LJG kein Wildfolgerecht. Somit verstoße die Satzungsbestimmung der Beklagten gegen höheres Recht, insbesondere gegen Artikel 3 Grundgesetz.

Mit Widerspruchsbescheid vom 06. April 1995 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 25. November 1977 (2 RU 9/76) bilde die Jagdfläche einen angemessenen Beitragsmaßstab. Dementsprechend werde gemäß § 37 Abs. 3 der Satzung der Beitrag für Jagden nach der Jagdfläche berechnet. Unter dem Begriff der Jagdfläche sei aber die Gesamtfläche zu verstehen, auf welches sich das Unternehmen "Jagd" erstrecke. Dieses umfasse sowohl die bejagbare Fläche als auch die befriedeten Bezirke im Sinne des § 6 BJG, auf welchem die Jagd grundsätzlich ruhe. In Ausnahmefällen könne dort dort die Erlaubnis zum Abschuß erteilt werden; ebenso seien Hegemaßnahmen im Sinne des § 1 BJG möglich und u.U. erforderlich. Unfälle im Zusammenhang mit Hegemaßnahmen seien ebenso zu entschädigen wie z.B. der typische Jagdunfall mit der Jagdwaffe.

Hiergegen erhob der Kläger am 04. Mai 1995 Klage zum Sozialgericht Stuttgart. Er wiederholte seine bisherigen Argumente und fügte hinzu, auch Vereinfachungsgründe könnten nicht gelten, wenn die befriedeten Flächen das Doppelte der bejagbaren Fläche darstellten. Maßgebend für Versicherungsbeiträge müsse das zugrundeliegende Risiko sein. Nachdem hier mindestens die Hälfte der befriedeten Flächen mit Gebäuden bedeckt sei, schieden diese Flächen auch aus der nur theoretisch bestehenden beschränkten Jagdausübung im Sinne von § 6 Satz 2 BJG aus.

Die Beklagte verwies auf ein Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 24. März 1993 (L 3 U 367/92) sowie darauf, daß mit Genehmigung der unteren Jagdbehörde auch auf befriedeten Flächen die Jagd ausgeübt werden könne, sofern die Notwendigkeit bestehe (z.B. Entenjagd im Stadtpark bei Überpopulation).

Das Sozialgericht hörte den Forstdirektor O als Zeugen. Er sagte aus, bei ganz überschlägiger Betrachtung beziffere er das bejagbare Terrain auf 25 bis 30% des Pachtgebiets. Er zeichnete auf einer Kopie des Stadtplanes die Grenzen des Jagdbezirks ein und machte die bejagbare Fläche kenntlich.

Die Beklagte legte ein Urteil des Landes...

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