Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsprüfung. Beitragsnachforderung. Transportfahrer für eine Spedition. sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Haftung der Betriebsinhaberin für Beitragsforderung. Geschäftsunterlagenprüfung nach dem SchwarzArbG. Verjährung. unbeschränkte Einkommenssteuerpflicht. Lohnsteuerabzug

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Betriebsinhaberin einer Spedition haftet auch dann für Beitragsforderungen, wenn das operative Geschäft allein durch den Ehemann geführt wird.

2. Maßgeblich für eine Eingliederung in den Betrieb der Spedition und damit für Beschäftigung spricht, wenn dem als Subunternehmer geführten Fahrer sämtliche, für die (Fahrer)Tätigkeit erforderlichen Betriebsmittel (Lkw einschließlich Treibstoff, Versicherungen, Reparaturen etc) zur Verfügung gestellt werden; die Tatsache, dass der als Subunternehmer geführte Fahrer im streitigen Zeitraum ein Gewerbe (ua Transporte) angemeldet hatte und teilweise betrieb, ändert hieran nichts, weil eine selbstständige gewerbliche Tätigkeit und eine Beschäftigung auch zeitlich parallel bei verschiedenen Auftraggebern möglich ist.

3. Wird die den Fahrer als Subunternehmer einsetzende Spedition ihrerseits für eine Spedition tätig und hat der Fahrer nach der Vereinbarung mit der ihn einsetzenden Spedition bezüglich des Transportgutes (nach Art, Zeit und Ort) die Vorgaben des Dritten umzusetzen, bleibt der Fahrer weiterhin durch die ihn einsetzende Spedition fremdbestimmt.

4. Wird innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist eine Kontrolle nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (juris: SchwarzArbG) im Hinblick auf den als Subunternehmer eingesetzten Fahrer mit persönlicher Beteiligung der Betriebsinhaberin durchgeführt, die Betriebsinhaberin hierzu als Beschuldigte im Ermittlungsverfahren vorgeladen und erhält sie im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Kenntnis von einer Beurteilung der Tätigkeit des von ihr als Subunternehmer geführten Fahrers als Arbeitnehmer, ist von Vorsatz in Bezug auf die unterlassene Beitragsabführung auszugehen. Die vierjährige Verjährungsfrist wandelt sich nun in die dreißigjährige Verjährungsfrist um.

5. Im Rahmen der Netto-brutto-Hochrechnung ist bei unbeschränkter Einkommenssteuerpflicht (§ 1 EStG) gemäß § 39c Abs 1 S 1 EStG (in der bis zum 31.12.2011 geltenden Fassung) die Lohnsteuerklasse VI zu Grunde zu legen, weil das hierfür erforderliche Verschulden des Arbeitgebers bereits im Rahmen der Prüfung einer Zulässigkeit der Netto-brutto-Hochrechnung nach § 14 Abs 2 S 2 SGB IV bejaht worden sein muss.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 21.12.2017 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Klage- und des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

 

Gründe

I.

Streitig ist die Nachforderung von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung, zur gesetzlichen Rentenversicherung, nach dem Recht der Arbeitslosenversicherung und von Umlagen in Bezug auf die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 bei der Klägerin in der Zeit vom 14.09.2009 bis 29.04.2011 (streitiger Zeitraum) sowie Säumniszuschläge.

Die 1966 geborene Klägerin absolvierte nach eigenen Angaben eine Ausbildung zur Erzieherin sowie ein Studium zur Diplomsozialarbeiterin, das sie im Jahre 2008 abschloss (Bl. 645 der Akten des Amtsgerichts S. W 11 Cs 320 Js 4946/13 - Strafakte -). Im September 2004 meldete sie ein Gewerbe “Spedition und Warenhandel„ an und firmierte unter der Bezeichnung H. Transporte, Inhaberin B. H.. Die operative Tätigkeit des Betriebes leitete ihr 1970 geborener Ehemann, nach eigenen Angaben Speditionskaufmann und selbst Inhaber des Geschäftes bis zu seiner Insolvenz vor der Gewerbeanmeldung der Klägerin. Im streitigen Zeitraum verfügte die Klägerin über drei Fahrzeuge (zwei Lkw, ein MB Sprinter) und über eine Lizenz für diese Fahrzeuge zum gewerblichen Güterkraftverkehr, wobei ihr Ehemann für die erlaubnispflichtigen Transporte verantwortlich war (Bl. 303 VA). Die Firma der Klägerin war bis zu Beginn des streitigen Zeitraumes überwiegend als Subunternehmer für die Firma W. GmbH, einer internationalen Spedition mit Sitz in S., tätig; die entsprechenden Touren fuhr der Ehemann der Klägerin. Die Geschäftsräume der Klägerin befanden sich im Eigenheim der Familie. Im streitigen Zeitraum erzog die Klägerin - so ihre Angaben (Bl. 645, Bl. 669 f. Strafakte) - die beiden gemeinsamen Kinder und war in Teilzeit erwerbstätig.

Der im Oktober 1970 geborene Beigeladene zu 1 war jahrelang als Fahrer versicherungspflichtig beschäftigt, u.a. auch - lange vor dem streitigen Zeitraum - beim Ehemann der Klägerin (Bl. 647 Strafakte). Aus der Situation der Arbeitslosigkeit heraus (Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch) meldete er im Mai 2008 ein Gewerbe “Dienstleistungen aller Art (Kurierfahrten, Webdesign etc.)„ an, für das er im Internet warb (vgl. Bl. 313 ff. VA). Zu Beginn dieser selbstständigen Tätigkeit erhielt er einen Gründungszuschuss der Bundes...

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