Entscheidungsstichwort (Thema)
Beiordnung eines nicht am Sitz des Sozialgerichts ansässigen Rechtsanwalts
Leitsatz (amtlich)
Die Beiordnung eines nicht am Sitz des Sozialgerichts ansässigen Rechtsanwaltes hat regelmäßig nicht "zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwaltes", sondern mit der Begrenzung seiner Reisekosten auf den Betrag zu erfolgen, der bei zusätzlicher Beiordnung eines Verkehrsanwaltes angefallen wäre. Dies gilt auch dann, wenn der Rechtsanwalt seinen Sitz am Wohnort des Klägers (Anschluss an BAG, Beschluss vom 18.7.2005 - 3 AZB 65/03 = NJW 2005, 3083; Abweichung von BGH, Beschluss vom 23.6.2004 - XII ZB 61/04 = NJW 2004, 2749) oder an einem dritten Ort hat. Eine Ausnahme hiervon mit der Folge des Wegfalls einer solchen Begrenzung ist zu machen, wenn der Kläger nachweist, dass er keinen zur Vertretung bereiten Rechtsanwalt mit den für die Führung seines Verfahrens notwendigen speziellen Kenntnissen am Sitz des Sozialgerichts gefunden hat. Der Umstand, dass der Rechtsanwalt früher mit Vorfragen des Prozesses befasst war, rechtfertigt dagegen keine Ausnahme von dieser Beschränkung. Eine Begrenzung auf einen im Gerichtsbezirk des Sozialgerichts ansässigen Rechtsanwaltes ist nicht zulässig.
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 9.11.2006 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Reisekosten des Prozessbevollmächtigten der Klägern alternativ, soweit für die Klägerin günstiger, auf die Kosten eines Verkehrsanwaltes begrenzt werden.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die in W. wohnhafte Klägerin ist Spätaussiedlerin und begehrt in dem beim Sozialgericht Konstanz anhängigen, derzeit ruhenden Klageverfahren S 4 R 3175/05 die Gewährung höherer Altersrente für Frauen. Sie wendet sich insbesondere gegen eine Begrenzung von Entgeltpunkten im Zusammenhang mit der Anwendung des Fremdrentengesetzes (FRG).
Für das Klageverfahren hat ihr das örtlich zuständige Sozialgericht Konstanz mit Beschluss vom 9.11.2006 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt K., F. , “zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwalts„ beigeordnet. Gegen diese Einschränkung wendet sich die Klägerin mit ihrer am 4.12.2006 eingelegten Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat.
II.
Die Beschwerde der Klägerin ist - da fristgerecht erhoben und ihrem Antrag nicht in vollem Umfang stattgegeben worden ist - zulässig, jedoch nur teilweise begründet.
Auch im sozialgerichtlichen Verfahren kann im Rahmen der Prozesskostenhilfe ein nicht beim Prozessgericht niedergelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen (nachfolgend 1.). Allerdings ist regelmäßig ein Verkehrsanwalt erforderlich, sodass die Begrenzung von Reisekosten des nicht ortsansässigen Rechtsanwaltes durch eine Beschränkung der Beiordnung “zu den Bedingungen eines am Prozessgericht ansässigen Rechtsanwaltes„ regelmäßig nicht zulässig, sondern auf die Höhe der Kosten eines Verkehrsanwaltes vorzunehmen ist (nachfolgend 2; Anschluss an Bundesarbeitsgericht - BAG -, Beschluss vom 18.7.2005, 3 AZB 65/03, u.a. in Juris). Der weiter gehenden Auffassung des Bundesgerichtshofes (BGH, Beschluss vom 23.6.2004, XII ZB 61/04, u.a. in Juris), der in Fällen der Notwendigkeit eines Verkehrsanwaltes keine Beschränkung vornimmt und Rechtsanwälte am Wohnort der Partei ohne Beschränkung beiordnet, vermag der Senat nicht zu folgen, weil die vom BGH angenommenen verfassungsrechtlichen Gründe für eine ausdehnende Auslegung der maßgeblichen Vorschriften nicht vorliegen (nachfolgend 3.). Die Voraussetzungen für anzuerkennende Ausnahmen von der Begrenzung (hierzu 4.) erfüllt die Klägerin nicht. Die vom Sozialgericht vorgenommene Beschränkung erweist sich zwar als unzulässig, verletzt die Klägerin aber nicht zweifelsfrei in ihren Rechten (nachfolgend 5.).
1. Rechtsgrundlage der vom Sozialgericht angeordneten, im seinem Beschluss jedoch nicht begründeten und von der Klägerin angegriffenen Beschränkung ist § 121 Abs. 3 der Zivilprozessordnung (ZPO), wonach ein nicht bei dem Prozessgericht zugelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden kann, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen. Diese Vorschrift ist im sozialgerichtlichen Verfahren über § 73a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) - danach gelten die Vorschriften der ZPO über die Prozesskostenhilfe entsprechend - anwendbar (so schon Beschluss des Senats vom 18.3.1999, L 10 RA 5/99 PKH-B). Zwar - und hierauf weist die Gegenauffassung (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.4.2002, L 13 RA 763/02 PKH-B; Thüringer LSG, Beschluss vom 12.2.2003, L 6 B 19/02 SF) zutreffend hin - bedeutet der Begriff “Zulassung„ in dieser Regelung die berufsrechtliche Zulassung nach den Bestimmungen der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO), die nach § 18 BRAO bei einem Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu erfolgen hat (Bundesgerichtshof - BGH -, Beschluss vom 16.10.2002, ...