Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostentragung für Gutachten nach § 109 SGG. Beschwerdebefugnis der Staatskasse
Leitsatz (amtlich)
Keine Beschwerdebefugnis der Staatskasse gegen erstinstanzliche Entscheidungen über die Kostenübernahme für wahlärztliche Gutachten nach § 109 Abs 1 S 2 Halbs 2 SGG.
Tenor
Die Beschwerde des Landes Baden-Württemberg, vertreten durch den Bezirksrevisor, gegen den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 22. Juli 2004 wird als unzulässig verworfen.
Gründe
I.
Der Bezirksrevisor für die Sozialgerichtsbarkeit wendet sich dagegen, die Kosten eines wahlärztlichen Gutachtens auf die Staatskasse zu übernehmen.
Das Sozialgericht - SG - Konstanz verurteilte die Deutsche Rentenversicherung Bund durch Urteil vom 10. März 2004 (S 7 RA 774/99) unter Abweisung der Klage im Übrigen, dem Beschwerdegegner ab dem 1. November 2003 unbefristet Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren. Zur Urteilsbegründung machte sich das SG die Ausführungen und Feststellungen eines von ihm bei Dr. L. in Auftrag gegebenen wahlärztlichen orthopädischen Sachverständigengutachtens vom 29. Oktober 2003 zu eigen. Gegen das Urteil des SG legte die Deutsche Rentenversicherung Bund am 26. Mai 2004 Berufung ein (L 9 R 2009/04), über die noch nicht entschieden ist.
Dem Antrag des Beschwerdegegners vom 29. Oktober 2003, die Kosten des vom SG in Auftrag gegebenen wahlärztlichen Gutachtens von Dr. L. auf die Staatskasse zu übernehmen, entsprach das SG durch Beschluss vom 22. Juli 2004 (S 7 RA 2283/03 KO-A). Zur Begründung führte das SG aus: Das Gutachten habe die Sachverhaltsaufklärung und die Erledigung des Rechtsstreits objektiv gefördert. Aufgrund der Feststellungen von Dr. L. sei die Deutsche Rentenversicherung Bund mit Urteil vom 10. März 2004 zur Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. November 2003 verurteilt worden. Der Beschluss ging beim Bezirksrevisor für die Sozialgerichtsbarkeit am 2. August 2004 ein.
Gegen den Beschluss des SG vom 22. Juli 2004 hat der Bezirksrevisor für die Sozialgerichtsbarkeit als Vertreter der Staatskasse am 19. August 2004 mit der Begründung Beschwerde erhoben, es lasse sich noch nicht überblicken, ob das Gutachten von Dr. L. wesentlich zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen habe. Gegen die auf dem Gutachten von Dr. L. beruhende Entscheidung des SG sei Berufung eingelegt worden, so dass sich der wirkliche Sachverhalt erst nach Abschluss des Berufungsverfahrens genauer erkennen lasse.
Das SG hat die Beschwerde unter Vorlage eines Nichtabhilfebeschlusses vom 8. September 2004 dem Senat zur Entscheidung vorlegt. Dem Antrag des Bezirksrevisors, das Ruhen des Verfahrens bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens (L 9 R 2009/04) anzuordnen, ist der Beschwerdegegner nachdrücklich entgegen getreten.
II.
Die nach § 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG - fristgerecht erhobene Beschwerde ist nach § 172 Abs. 1 SGG unzulässig.
Dem als Vertreter der Staatskasse tätigen Bezirksrevisor für die Sozialgerichtsbarkeit steht keine Beschwerdebefugnis gegen den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 22. Juli 2004 zu, mit dem der Staatskasse die Kosten eines nach § 109 Abs. 1 SGG eingeholten Gutachtens auferlegt werden. In Rechtsprechung und Literatur ist ein Beschwerderecht der Staatskasse gegen Kostenübernahmeentscheidungen von Sozialgerichten erster Instanz gemäß § 109 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 SGG seit langem umstritten. Während sich die einen nachdrücklich für eine Beschwerdebefugnis der Staatskasse aussprechen (so zuletzt Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 28. November 2005 - L 11 R 4141/05 KO-B - und vom 23. Januar 2006 - L 8 SB 3834/05 KO-B - beide nicht veröffentlicht; Pawlak, in Hennig, SGG, Kommentar, Loseblatt, § 109 Rn. 80 - Stand 2002 -; Roller, in Lüdtke, SGG, Kommentar, 2005, § 109 Rn. 28; Brennert, SGB 1975, 393 ≪394 ff.≫), lehnen die anderen sie ebenso nachdrücklich ab (so: Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 8. Januar 2004, L 2 RI 187/02 B, juris-dok.; Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 4. August 1971, Breithaupt 1972, 440 ff.; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 19. Juni 1961, Breithaupt 1961, 1069 ff.; Landessozialgericht Bremen, Beschluss vom 28. März 1961, SGB 1962, 372 mit Anm. Heinze; Landessozialgericht Niedersachsen, Beschluss vom 23. Dezember 1959, L 12 S 84/59, Breithaupt 1960, 465; Keller, in Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 2005, § 109 Rn. 22 und Meyer-Ladewig, a.a.O., vor § 172 Rn. 3 und § 172 Rn 5; Zeihe, SGG, Kommentar, Loseblatt, 2005, § 109 Rn. 9e; Kolmetz, in Jansen, SGG, Kommentar, 2003, § 109 Rn. 15; Kummer, in Peters-Sautter-Wolff, SGG, Kommentar, Loseblatt, Stand 1998, § 109 Anm. 7 c). Zur Überzeugung des erkennenden Senats überwiegen im Ergebnis die Argumente derer, die eine Beschwerdebefugnis der Staatskasse gegen Kostenübernahmeentscheidungen nach § 109 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 SGG ablehnen.
Die Gründe sind folgende: Eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung für die Staatskasse als an dem Hauptsacheverfahren - S 7 R...