Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtliches Gehör ist auch im Abhilfeverfahren nach § 174 SGG zu gewähren

 

Leitsatz (amtlich)

Legt das SG die Beschwerde gegen einen die Gewährung von PKH ablehnenden Beschluss gem. § 174 SGG dem LSG vor, ohne die bei der Einlegung der Beschwerde angekündigte Begründung abzuwarten, so verletzt es das Recht des Beschwerdeführers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG). In einem solchen Fall kann das Beschwerdegericht die Nichtabhilfeentscheidung entsprechend dem Rechtsgedanken des § 159 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGG aufheben und die Sache an das SG zurückverweisen.

 

Orientierungssatz

Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs gilt auch für die Abhilfeentscheidung nach § 174 SGG; eine Verletzung dieses Grundsatzes kann zur Aufhebung des Nichtabhilfebescheids und zur Zurückverweisung entsprechend § 159 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 SGG führen.

Die Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit durch das Gericht ist fehlerhaft, wenn es sich auf Sachverständigengutachten beruft, ohne die MdE anhand der Rententabellen selbst zu bewerten.

Kommt das Gericht im Verfahren um Verletztenrente aus einem Arbeitsunfall zu dem Ergebnis, dass die MdE 20 vH nicht erreicht, so muss es beim Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte von Amts wegen prüfen, ob Stützrententatbestände für eine MdE um wenigstens 10 vH vorliegen.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluß des Sozialgerichts Stuttgart vom 06.08.2004 aufgehoben.

Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwältin ..., bewilligt.

 

Gründe

I. Im Hauptsacheverfahren streiten die Beteiligten um die Bewilligung von Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

Der 1958 geborene Kläger zog sich im Rahmen seiner Tätigkeit als Zimmermann am 27.05.1993 durch einen Sturz (aus mehren Metern Höhe) Prellungen und Schürfwunden (u.a. am Oberkörper, den Armen, den Beinen und am Becken) zu. Er wurde vom 27.05.-28.05.1993 stationär überwacht und ohne Hinweise auf eine Fraktur oder einen intraabdominellen traumatischen Befund entlassen (vgl. Bericht Dr. B. vom 16.06.1993).

Am 06.09.1995 erlitt der Kläger einen weiteren Arbeitsunfall (Fersenbeinfraktur links). Prof. Dr. Dr. W. beschrieb im ersten Rentengutachten vom 06.02.1996 eine endgradige Einschränkung der Beweglichkeit des oberen und unteren Sprunggelenkes bei Muskelminderung am linken Ober- und Unterschenkel bei knöchern konsolidierter Fersenbeinfraktur links und schätzte die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) vom 07.02.1996 bis zum 07.08.1996 auf 20 v. H. und ab dem 08.08.1996 auf Dauer auf 10 v. H. Mit Bescheid vom 15.04.1996 bewilligte die Beklagte eine Gesamtvergütung für die Zeit vom 07.02.1996 bis zum 07.08.1996 nach einer MdE von 20 v. H. und stellte als Unfallfolgen fest: endgradige Bewegungseinschränkung im oberen und unteren Sprunggelenk links nach knöchern fest in achsengerechter Stellung verheiltem Fersenbeinbruch, geringe Muskelminderung am Ober- und Unterschenkel, diskrete Vergröberung der Sprunggelenkskontur sowie des Rückfußes und leichte Kalksalzminderung im Fußbereich. In der Folgezeit machte der mit orthopädischem Schuhwerk versorgte Kläger weiterhin Beschwerden im Bereich des linken Fußes geltend. Im Nachschaubericht (NAB) vom 19.06.1996 beschrieb Prof. Dr. W. u.a. ein diskret links hinkendes Gangbild, Druckschmerz unterhalb des Außenknöchels lateral am Fersenbein und im NAB vom 21.10.1996 u.a. eine leichte Einschränkung im unteren Sprunggelenk mit Fußheben/Senken. Anlässlich einer Vorstellung vom 05.06.1997 klagte der Kläger über intermittierende Schmerzen im Bereich des Außenknöchels und der Ferse links (NAB vom 05.06.1997). Auch in der Folgezeit stellte sich beim Kläger keine Beschwerdefreiheit ein (u.a. NAB vom 13.11.1997, 25.03.1998). Im zweitem Rentengutachten vom 01.06.2000 wurden als Folgen des Arbeitsunfalls vom 06.09.1995 subjektive Schmerzen im oberen und unteren Sprunggelenk links, endgradige Einschränkung der Beweglichkeit im unteren Sprunggelenk beschrieben und die MdE wurde mit 10 v. H eingeschätzt.

Mit Bescheid vom 11.07.2001 lehnte die Beklagte einen Antrag des Klägers auf Neufeststellung einer Rente wegen der Folgen des Unfalles vom 06.09.1995 ab, da die Erwerbsfähigkeit des Klägers nicht in rentenberechtigender Höhe gemindert sei und wies den  Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 01.03.2002 zurück.

Zwischenzeitlich hatte der Kläger am 15.06.1998 einen weiteren Arbeitsunfall erlitten. In der Unfallmeldung vom 15.06.1998 gab der Orthopäde Dr. K. eine Ausrißfraktur des rechten Beckenkamms an. Im Zwischenbericht vom 27.05.1999 beschrieb Prof. Dr. W. Restbeschwerden nach Zerrung der rechten Rückenmuskulatur mit knöchernem Ausriss an der Beckenschaufel rechts. Dr. S. beschrieb im Zwischenbericht vom 23.11.1999 (CT-Untersuchung des Beckens und der distalen LWS vom 18.11.1999) eine rechts-lateral betonte Protrusion der Bandscheibe L3/4 und führte u.a. aus: “Da die Beschwerden des Patienten direkt mit dem Unfaller...

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