Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulassung. Vertragsarzt. Übernahme. Vertragsarztpraxis. Ermessen. Zulassungsgremien. Bewerberauswahl. Nichteignung des Arztes
Orientierungssatz
1. Bei der Übernahme einer Vertragsarztpraxis steht den Zulassungsgremien bezüglich der Auswahl des Bewerbers ein pflichtgemäßes Ermessen zu.
2. Eine Ungeeignetheit des Vertragsarztes kann insbesondere dann angenommen werden, wenn sein Pflichtverstoß kriminellen Charakter hat, auf eine Gefährdung des gesundheitlichen Wohls der Patienten schließen läßt oder Disziplinarmaßnahmen der Kassenärztlichen Vereinigung keinen Erfolg gezeigt haben (vgl BVerfG vom 5.9.1980 - 1 BvR 727/80 = SozR 2200 § 368a Nr 6 und BVerfG vom 28.3.1985 - 1 BvR 1245/84 = SozR 2200 § 368a Nr 12).
3. Abhängig von der Schwere des Verstoßes und dem Verhalten des Arztes nach Entziehung der Zulassung entsteht nach einer bestimmten Bewährungszeit erneut ein Rechtsanspruch auf Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung.
4. Die Dauer der Bewährungszeit von 5 Jahren darf, in Anbetracht dessen, daß es sich um einen Eingriff in das Recht des niedergelassenen Arztes auf freie Berufsausübung handelt, nur in besonders schweren Fällen überschritten werden (vgl BSG vom 29.10.1986 - 6 RKa 32/86 = MedR 87, 254).
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger im Rahmen eines Auswahlverfahrens zur Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit mit Wirkung vom 01.01.1998 an hätte zugelassen werden müssen, um die Vertragsarztpraxis von für Radiologie, (der Beigeladenen Nr. 8) fortzuführen.
I.
Dem am 09.06.1945 geborenen Kläger verlieh die Eberhard-Karls-Universität zu Tübingen am 18.04.1972 den Grad eines Doktors der Medizin. Mit Urkunde vom 08.01.1973 wurde ihm die Approbation als Arzt erteilt. Durch Beschluß des Zulassungsausschusses vom 08.12.1976 wurde er als praktischer Arzt zugelassen. Diese Zulassung endete durch Verzicht des Klägers bereits am 05.10.1977. Von 1978 bis 1983 arbeitete er als Assistenzarzt an der Radiologischen Abteilung der Städtischen Krankenanstalten E. Während dieser Zeit erhielt er am 12.08.1980 die Genehmigung zum Führen der Zusatzbezeichnung "Sportmedizin" und am 23.04.1982 die Anerkennung als Radiologe. Anschließend war er Assistenzarzt an der Radiologischen Klinik des Krankenhauses K und danach Oberarzt an der Radiologischen Klinik des Krankenhauses S. Vom 24.09.1986 bis 03.01.1993 war er als Radiologe mit Kassenarztsitz in E zugelassen.
Der Kläger ist erstmals durch einen Strafbefehl des Amtsgerichts T vom 20.10.1977 wegen Urkundenfälschung strafrechtlich in Erscheinung getreten. Nach eigenen Angaben hatte sich der Kläger auf dem Briefkopf eines Arztes ein Zeugnis für eine bevorstehende Bewerbung in einer Klinik ausgestellt. Die nächste Verurteilung wegen Urkundenfälschung erfolgte durch Urteil des Amtsgerichts E vom 10.09.1987. Der Kläger hatte sich selbst ein qualifiziertes Zeugnis ausgestellt, nachdem sich der Chefarzt zuvor geweigert hatte, dies zu tun. Dem Kläger ist in dem Antrag auf Entziehung der Zulassung der Kassenärztlichen Vereinigung Nord-Württemberg (der Beigeladenen Nr. 1) vom 07.01.1992 darüber hinaus vorgeworfen worden, er sei zudem wegen Verfehlungen vom 18.05.1978 und 20.02.1985 durch das Bezirksberufsgericht bzw. das Landesberufsgericht verurteilt worden. Das Bezirksberufsgericht für Ärzte habe ihm auch am 31.08.1988 wegen berufsunwürdiger Handlung durch Diebstahl und Urkundenfälschung eine Geldbuße in Höhe von 8.000,- DM auferlegt. Gleichzeitig sei ihm das Wahlrecht und die Wählbarkeit in Organe der Kammer auf die Dauer von drei Jahren aberkannt worden. Vom Regierungspräsidium S sei er zudem mit Schreiben vom 05.04.1988 auf die Möglichkeit des Widerrufs der Approbation hingewiesen worden. Ein weiteres Urkundsdelikt habe er am 24.09.1991 begangen, als er zum Nachweis für die vollständige erbrachte Vorbereitungszeit seiner Frau (nunmehr Dr. eine Bescheinigung eines Dr. zum Nachweis der Vorbereitungszeit vorgelegt habe, obwohl sie bei diesem Arzt überhaupt nicht gearbeitet habe. Der Kläger habe zudem einem Dr. eine Bescheinigung über die Absolvierung der Vorbereitungszeit ausgestellt, obwohl Dr. in der fraglichen Zeit überhaupt nicht als Praxisvertreter in der Praxis des Klägers tätig gewesen sei. Schließlich habe der Kläger auch die Gestaltung seines Briefkopfes in unzulässiger Weise vorgenommen. Der Kläger hat diese Vorwürfe nicht bestritten, das dadurch begangene Unrecht hielt und hält er allerdings für gering.
II.
Während der Zeit als zugelassener Kassenarzt erwarb der Kläger im Juli 1990 einen Computertomographen. Nach eigenen Angaben ging er damals davon aus, eine besondere Qualifikation für die Vornahme computertomographischer Untersuchungen im Rahmen seiner kassenärztlichen Tätigkeit nicht zu benötigen. Tatsächlich schrieben jedoch die damals geltende Richtlinien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für Radiologie und Nuklearmedizin in der ab 9.12.1989 geltenden ...