Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. unzulässige Berufung gegen Gerichtsbescheid. Verwerfung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung. Statthaftigkeit bei zutreffender Rechtsmittelbelehrung über möglichen Antrag auf mündliche Verhandlung
Leitsatz (amtlich)
Auch die Berufung gegen einen Gerichtsbescheid kann gemäß § 158 SGG durch Beschluss als unzulässig verworfen werden, obwohl in diesem Fall weder vor dem SG noch vor dem LSG eine mündliche Verhandlung stattfindet. Es genügt, wenn der Kläger im Gerichtsbescheid zutreffend darüber belehrt wurde, dass er die Möglichkeit hat, mündliche Verhandlung vor dem SG zu beantragen.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 15.10.2019 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Gewährung eines orthopädischen Büroarbeitsstuhles zu Lasten der Beklagten als Leistung der Teilhabe am Arbeitsleben (LTA).
Der 1956 geborene Kläger arbeitet in Vollzeit als technischer Angestellter mit überwiegender Bildschirmarbeit und wurde bereits 1997 und 2007 mit orthopädischen Büroarbeitsstühlen als LTA versorgt.
Am 21.03.2016 beantragte der Kläger die Übernahme der Kosten für die Anschaffung eines orthopädischen Büroarbeitsstuhles entsprechend des Kostenvoranschlages vom 03.03.2016 iHv 635,46 € brutto. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 24.03.2016 ab, da ein ergonomischer Büroarbeitsstuhl, welcher vom Arbeitgeber zu stellen sei, ausreichend sei. Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 25.02.2017 zurück.
Am 20.2.2017 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Das SG hat zunächst die behandelnden Fachärzte für Orthopädie Dr. H. und Dr. R. schriftlich vernommen und anschließend beim Facharzt für Orthopädie Dr. E. ein Gutachten eingeholt. In seinem Gutachten vom 05.04.2019 hat dieser ausgeführt, der vom Kläger innegehaltene Büroarbeitsplatz entspreche den gesundheitlichen Einschränkungen. Eine erhebliche Gefährdung oder bereits geminderte Erwerbsfähigkeit des Klägers sei nicht festzustellen. Es bestehe auch nicht die Notwendigkeit, den Arbeitsplatz mit einem orthopädischen Büroarbeitsstuhl auszustatten. Die Ausstattungsmerkmale eines ergonomischen Büroarbeitsstuhles, gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines Sitzkissens, seien ausreichend.
Nach entsprechender Ankündigung hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 15.10.2019 im Hinblick auf die Darlegungen des Gutachters Dr. E. abgewiesen. Die Erwerbsfähigkeit des Klägers bezogen auf seinen zuletzt ausgeübten Beruf als technischer Angestellter sei weder gemindert noch erheblich gefährdet, so dass die persönlichen Voraussetzungen gemäß § 10 Abs 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) für die Gewährung von weiteren LTA in Form der Ausstattung des Arbeitsplatzes mit einem orthopädischen Büroarbeitsstuhl nicht erfüllt seien. Ebenso wenig komme ein Anspruch auf Gewährung von LTA-Maßnahmen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) bzw nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) in Betracht. Die Entscheidung sei nicht berufungsfähig, da der Streitwert von 635,46 € brutto (auch unter Berücksichtigung der Preissteigerungen seit 2016) für das begehrte Modell Tango die maßgebliche Berufungssumme von 750,00 € nicht erreiche. In der Rechtsmittelbelehrung des Gerichtsbescheides ist der Kläger auf die Möglichkeit einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung bzw eines Antrags auf mündliche Verhandlung hingewiesen worden.
Gegen den seinem Klägerbevollmächtigten am 17.10.2019 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 12.11.2019 Berufung beim Landesozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt, ohne diese näher zu begründen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 15.10.2019 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24.03.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.02.2017 zu verpflichten, ihm als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben die Anschaffung eines orthopädischen Büroarbeitsstuhles des Modells Tango zu gewähren.
Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
Parallel zu seiner Berufung hat der Kläger am 04.12.2019 NZ (NZB) beim LSG eingereicht (L 11 R 4108/19 NZB). Als Begründung ist dargelegt worden, der Gerichtsbescheid weiche von der Rechtsprechung ab. Die Leistungen seien im vorliegenden Fall entgegen dem Gutachten erforderlich. Es sei auch eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gegeben, da eine abschließende BSG-Rechtsprechung im allgemeinen Interesse liege. Hilfsweise werde ein Verfahrensfehler geltend gemacht, dass die Auffassung des Gutachters vom SG übernommen worden sei, ohne dass sich das SG rechtlich mit den Voraussetzungen für das Vorliegen des beantragten Bürostuhles auseinandergesetzt habe. Soweit zunächst eine Berufung eingelegt worden sei und nicht eine NZB, sei die Berufung als Beschwerde auszulegen. Die...